MITTEILUNGEN


DER ARNO-BREKER-GESELLSCHAFT DÜSSELDORF
Nr.13                                             Sommer 2020

 

Am 11. April 2020 beging der Dichter Rolf Schilling seinen 70. Geburtstag. Aus diesem Anlass erschien im Arshaugk Verlag eine Festschrift, die auch einen Essay über das Verhältnis des Dichters zu Arno Breker enthielt.
Diesen Text drucken wir hier ungekürzt nach.
Wir hoffen, dass alle Leserinnen und Leser bisher unbeschadet durch die Coronazeit gekommen sind und
wünschen ihnen einen ruhigen Sommer. Bleiben Sie gesund!

 

Heiner E. Frisch                                Michael Boss
(Vorsitzender)                                  (Redaktion)

 

Aktuelles

120. Geburtstag von Arno Breker
Am 19. Juli 2020 gedachten mehrere Mitglieder der Arno Breker Gesellschaft Düsseldorf des 120. Geburtstages von Arno Breker mit dem Niederlegen eines Blumengestecks auf dem Grab des Bildhauers auf dem Düsseldorfer Nordfriedhof. Grundsätzlich besteht leider in Düsseldorf wohl kein Interesse, eines Künstlers zu gedenken, der mehr als die Hälfte seines Lebens in dieser Stadt gelebt und gearbeitet hat. Im Gegenteil: vor wenigen Wochen brachte die Düsseldorfer Ratsfraktion der Linkspartei einen Antrag ein mit der Zielrichtung, alles Werke Brekers im öffentlichen Raum zu entfernen bzw. als problematische Kunst zu kennzeichnen. Ein Gesprächsangebot seitens unser Gesellschaft an die Ratsfraktion der Linken blieb bisher, man möchte sagen erwartungsgemäß, aus. Ein unverkrampfter Umgang mit dem Werk Arno Brekers lässt also weiterhin aus sich warten.

 


 

der

 


Essay

Im Garten der Götter – Rolf Schilling begegnet Arno Breker

Je größer ein Meister ist, um so reiner verschwindet seine Person hinter dem Werk.
Martin Heidegger

Im Spätsommer 1990 bricht Rolf Schilling zu seiner ersten Reise in die Bundesrepublik Deutschland auf. Es ist seine Absicht, nach und drei Persönlichkeiten zu begegnen, deren Künstlertum er sich in vielerlei Hinsicht zutiefst verbunden fühlt und die für ihn „den homerischen Lebenslauf im zwanzigsten Jahrhundert“ (Eros und Ares, S.90) verkörpern: Ernst Jünger, Arno Breker und Leni Riefenstahl. Während Schilling Jünger und Breker noch im selben Jahr besuchen konnte, erfolgte die Reise zu Leni Riefenstahl an den Starnberger See erst 1993.
Was Jünger, Breker und Riefenstahl vor allem verbindet ist der Umstand, dass alle drei sowohl vom Kulturbetrieb der Bundesrepublik als auch von der Kulturpolitik der DDR ausgegrenzt wurden. Zumindest hier herrschte in beiden deutschen Staaten grenzüberschreitende Einigkeit. Im Fall Ernst Jüngers muss man aber einschränkend anmerken, dass die Abgrenzung des Waldgängers aus Wilflingen auch selbst gewählt war und der inneren Haltung der désinvolture entsprang. Die Begegnung Schilling - Breker ragt insofern heraus, als an ihrem Ende mit dem Gedichtband Tage der Götter ein gemeinschaftliches Werk stand.

Der Weg Rolf Schillings von Bielen bis in Brekers Düsseldorfer Atelier gleicht der Einweihung in einen Mysterienkult. Am Beginn steht ein Brief des Dichters an den Bildhauer vom 8. Juli 1990, worin Schilling Breker bittet, seinen Gedichtzyklus Die Häupter der Hydra zu illustrieren. Breker entspricht dieser Bitte, wie Schilling am 13. September 1990 im Tagebuch notiert, und nicht einmal zwei Wochen später erfolgt Schillings Initiation in die Breker-Welt: in Bonn besucht er gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Brekers Manager und Galeristen Joe F. Bodenstein. Schilling hat Gelegenheit, zum ersten Mal das graphische Werk Brekers in Augenschein zu nehmen und hält seine Eindrücke im Tagebuch fest:

„Vor allem die Zeichnungen und farbigen Lithographien überzeugen mich: Herakles, Ganymed, Theseus und der Minotaurus, Sappho und ihre Gespielinnen, Perseus mit dem Medusenhaupt.[…] Im Spätwerk sind es die Zeichnungen und Graphiken, die mich beeindrucken, und dies ist natürlich ideal für den Zweck, den wir verfolgen: die Herausgabe eines Prachtbands mit Bildern von Arno Breker.“ (Lebens Mittag, S. 199ff.)

Nach der Prüfung durch Bodenstein folgt Schillings Aufstieg in den nächsten Einweihungsgrad: die Einladung zu einem Besuch von Schloss Nörvenich, das seit den 1980er Jahren ein Breker-Museum beherbergt und sich im Besitz der Familie Bodenstein befindet. Am 31. Oktober reisen Schilling und seine Begleitung über Düsseldorf und Köln in das nahe Düren gelegene Nörvenich. Nach der Besichtigung von Park und Museum, das neben den Werken Brekers auch Arbeiten von Salvador Dalí, Ernst Fuchs und Marc Chagall beherbergt, lernt der Dichter am Rande einer Ausstellungseröffnung auch Brekers Kinder Carola und Gerhart kennen, die gewissermaßen als Hüter der Schwelle für ihren Vater agieren. Sie sind es auch, die Schilling in der Nacht nach Düsseldorf zurückfahren. Zu Allerheiligen folgt ein Ruhetag, wenn man so will der Fasten- und Reinigungstag vor der Verleihung der höheren Weihen, und am 2. November fahren Schilling, seine Lebensgefährtin sowie der Dichter und Verleger Uwe Lammla mit der Straßenbahn nach Düsseldorf-Lohausen, wo sich das Anwesen der Familie Breker samt Atelier befindet. Empfangen wird das Trio von Gerhard Breker, der die Besucher zunächst durch den weitläufigen Skulpturengarten führt, den Arno Breker über die Jahre anlegen ließ. Seine Eindrücke fasst Schilling später so zusammen:

„Mich bezaubert an den großen, frei stehenden Bronze-Plastiken die Einheit von Grazie und Monumentalität. Unterschiedlich die Stufen des Gelingens: der nackte männliche Körper ist Brekers Domäne, doch taugt das Weib ohnehin eher als Gegenstand für die Malerei. Bei den Reliefs ist es die ungeheure Dynamik, die fasziniert, die Flamme, die aus dem Stein loht und ihn zum Singen bringt, wobei hier der Marmor den Vorzug vor der Bronze verdient.“ (Lebens Mittag, S. 217).

Nach der Gartenbesichtigung vollzieht sich der letzte Grad der Einweihung: Schilling wird ins Haus geführt und Arno Breker vorgestellt. Bei Kaffee und Kuchen entspannt sich eine zwanglose Unterhaltung: Breker berichtet von seiner Zeit in Paris und dem Tag, an dem er Adolf Hitler durch die wenige Tage zuvor von deutschen Truppen besetzte Hauptstadt Frankreichs führte. Ein weiteres Gesprächsthema bildet Ernst Jünger, der 1981 in Düsseldorf weilte, um sich von Breker porträtieren zu lassen. Zum weiteren Verlauf des Gesprächs und seinem Eindruck von Breker notiert Schilling:

„Breker ist ein gebrochener Mann (‚mit vierundvierzig einhalb Jahren war mein Leben zu Ende‘), gleichwohl überzeugend als Persönlichkeit, von hintergründigem Humor und, wie sein Wilflinger confrère, nicht ohne Biß. Als er Professor wurde, hätten sich zu seinem ersten Kurs vor allem Damen gemeldet. Das habe ihm bald gereicht, und er ließ zum nächsten keine mehr zu. Im Juli fanden sich 1500 Gäste zur Geburtstagsfeier auf Schloß Nörvenich ein, es war ein heißer Tag, 600 Damen beugten sich zum sitzenden Meister nieder, um ihm zu gratulieren, und er mußte tief in 600 Brust-Ausschnitte schauen. ‚Aber das bleibt unter uns.‘ Ich glaube daß ich ihm Mut machen kann, was die Beziehung des Zeitgeistes zu seinem Werk angeht.“ (ebda, S. 219)

Nach einigen Stunden folgt der Aufbruch, und der Besuch verabschiedet sich von Arno Breker und seiner Frau „in dem Gefühl, daß wir von jetzt an jederzeit willkommene Gäste sind.“ (ebda, S. 220). Zu einer weiteren Begegnung der beiden Künstler sollte es aber nicht mehr kommen, da Breker am 13. Februar 1991 an den Folgen einer Grippeerkrankung starb.

II

Bei genauerer Betrachtung lassen sich drei Säulen erkennen, auf denen die künstlerische Verwandtschaft von Breker und Schilling ruht: das Beharren auf den klassischen ästhetischen Prinzipen der Tradition, dem Traum und dem Garten.
Konsequent widersetzen sich Breker und Schilling den sämtliche Formen auflösenden Tendenzen der Moderne und Postmoderne, bleiben immun gegen die stetig wechselnden Stilen und Moden mit ihren immer absurder und bizarrer werdenden Hervorbringungen, die in ihrer Feier des Hässlichen und Vulgären die tatsächliche Gesinnung des dahinter stehenden Zeitgeistes offenbaren. Beide beharren auf dem Ideal der Schönheit und der strengen Form, die den Grenzen der ästhetischen Gesetzmäßigkeiten entspringen, sei es als Metrum, Reim, der gezeichneten Linie oder der Proportionslehre: nur durch diese Grenzen ist der Absturz in das Amorph-Beliebige zu verhindern. Gegenwartsbezug verzichtet und nicht durch tagespolitisches Engagement vergiftet ist. Beider Werk wurzelt in der Zeit- und Ortlosigkeit des Mythos, im Universalismus dessen, was immer gültig war.
So wurden beide zu Fackelträgern, die die Flamme der Tradition durch ein sich zunehmend verfinsterndes Zeitalter tragen, verbunden in der Hoffnung, dass aus der kleinen Flamme dereinst wieder ein weithin leuchtendes Feuer wird. Es verwundert kaum, dass sich das Motiv der Fackel bzw. des Fackelträgers durch Brekers gesamtes Schaffen zieht. So zeigt schon ein vom achtzehnjährigen Breker für einen Freund gestaltetes Exlibris den feuerraubenden Prometheus, während das Denkmal Rheinland-Befreiung in Kleve-Kellen (1927) von einer Hand geziert wird, die eine nach unten gerichtete Fackel hält. Die Linie setzt sich fort mit Großskulpturen wie Prometheus I (1934/35), Die Partei (1939), Fackelträger II (1940), um in der Lithographie Der Engel (1980) einzumünden.

Die Feindschaft gegen die Anforderungen der Moderne hat ihren Preis: Breker und Schilling wurden zu Künstlern für die Wenigen, der Kreis der Sammler und Leser bleibt überschaubar. Vom etablierten Kunst- und Literaturbetrieb werden sie ignoriert, und nimmt sich das Feuilleton mal ihrer an, geschieht dies zumeist mit unverhohlenem Spott, Häme und bösartiger Gehässigkeit. Während Schilling die Rolle als Solitär als konstitutives Merkmal seines Dichtertums betrachtet, hat Breker unter der mangelnden öffentlichen Beachtung, die sein Schaffen seit 1945 erfahren hat, zutiefst gelitten. Einschränkend ist jedoch einzuwenden, dass Breker ein ebenso gefragter wie begnadeter Porträtist war und so weitaus bessere Einkünfte erwirtschaften konnte als viele seiner modernistischen Zeitgenossen.

Der Traum ist das Reich, das man der als defizitär erfahrenen Gegenwart entgegensetzen, in das man sich zurückziehen kann. Im Werk Schillings ist der Traum nahezu omnipräsent, betrachtet er doch das Gedicht als „Tagseite des Traums“ und „den Traum als Grundfigur auch meiner Gedichte“, denn der „Dichter waltet in der Traumwerkstatt, im hermetischen Raum.“ (Schwarzer Apollon, S. 151-152). Diese poetologischen Überlegungen spiegeln sich wider in Gedichttiteln wie Der Traum des Ariost, Traumgänger, Traum von Sumer oder Traum-erlost, zudem sind die Tagebücher immer auch Traumtagebücher. Dem Traumreich entsprungen sein könnten auch viele der Skulpturen Arno Brekers. Ihre Gesten wirken wie plötzlich in der Bewegung eingefroren, manche Figur strahlt eine weltentrückte Irrealität, sogar Surrealität aus, es sind „Traumfiguren“ (Rainer Hackel). Skulpturen wie Die Schreitende (1940), Eos (1941-43), Psyche (1941) oder Demut (1944) wären in den Szenerien des belgischen Surrealisten Paul Delvaux ebenso denkbar wie als Dekoration in einem Film von Jean Cocteau. Und in die weiten Landschaften eines Salvador Dalí mit ihren tiefen Horizonten ließen sich Männerakte wie der Herold, der Wager (beide 1939) oder Der junge Alexander (1981) problemlos einfügen. Überhaupt lohnte es sich, einmal dem Verhältnis Brekers zu den Surrealisten nachzuspüren, war er doch nicht nur mit Cocteau und Dalí befreundet, sondern auch mit dem phantastischen Realisten Ernst Fuchs. Vor allem aber bezeugt Brekers gesamtes Schaffen seinen Traum vom physisch wie psychisch heilen, aufrechten, seiner Gottesebenbildlichkeit bewussten Menschen; trotzig stellt Breker seine Skulpturen der Krankes, Deformiertes und Gebrochenes feiernden Kunst der Moderne entgegen.

Die Werke Brekers und Schillings verkörpern die Traumvision einer heroisch-heidnischen, sonnendurchfluteten, aber auch harten Welt, der das Imperiale und Monumentale ebenso wenig fremd ist wie das Konzept einer idealen Rangordnung. Das alles verbindende Element ist die ganzheitlich verstandene Schönheit, der die Ideen des Guten und der Gerechtigkeit gleichermaßen eingeschrieben sind. Es ist der Traum, den auch Nietzsche, Stefan George, Gottfried Benn und andere Gralsritter des „großen Mittag“ träumten.

Durchaus als eine Vorwegnahme jener angedeuteten heroischen Welt kann man Arno Brekers Skulpturengarten deuten. Über die Jahre kaufte der Bildhauer, oftmals über Mittelsmänner, viele seiner vor allem während des Dritten Reichs entstandenen Arbeiten auf, um sie auf dem weitläufigen Gelände seines Anwesens aufstellen zu lassen. Am Rande der Großstadt gelegen, bildet dieser Garten einen Gegenpol zum lärmigen Treiben der Avantgarde im Zentrum der Kunststadt Düsseldorf mit der Akademie und einer Vielzahl von Galerien. Umgeben vom Lärm des nahegelegenen Flughafens und einer hinter dem Grundstück verlaufenden Straßenbahnstrecke, wuchs eine Oase des Zeitlosen, eine Heimstatt für die aus der Traumzeit gefallenen, in Bronze gegossenen Heroen.

Auch Rolf Schillings Garten ist ein Refugium, ein Rückzugsort vor der hektischen Betriebsamkeit der Welt der Machenschaft. Die Raserei der Außenwelt ist ausgesperrt, es regiert die zyklische Zeit der Natur mit ihrem permanenten Kreislauf aus Werden und Vergehen. Hier beobachtet der Dichter die Phänomene von Flora und Fauna im Ablauf der Jahreszeiten, hier empfängt er viele seiner Verse, die er als Ernte in die Schreibstube trägt. Skulpturenpark wie Dichtergarten sind Orte, wo die von Hölderlin dichterisch, von Heidegger denkerisch vermessene Abwesenheit der Götter erduldet und die Rückkehr der Himmlischen erwartet werden kann, bis die Tage der Götter wieder anbrechen.

III
Zu Ostern 1991, nur wenige Wochen nach dem Tod Arno Brekers, erschien der Gedichtband Tage der Götter. Die Begegnung des Bildhauers mit dem Dichter aus dem Harz fand so jenseits der Schwelle des Todes ihre Vollendung. Der Titel des Gemeinschaftswerks umspannt Vergangenheit und Zukunft: gemeint sind hier die Tage der Götter in der mythischen Zeit ebenso wie die kommenden Tage nach der Wiederkehr der Götter in verwandelter Gestalt. Schilling selbst bemerkt zum Titel, dass sich in ihm „der aristokratische Anspruch, die olympische Gebärde“ ausdrücke (Eros und Ares, S. 64). In den rund achtzig Seiten umfassenden Band treffen Schillings Gedichtzyklus Die Häupter der Hydra auf zehn Lithographien Brekers mit Motiven und Figuren aus der griechischen Mythologie, darunter Ganymed, Orpheus oder Herakles. Die Auswahl der Illustrationen trafen Dichter und Bildhauer gemeinsam. In einem Interview mit dem Dokumentarfilmer Lutz Dammbeck für dessen Breker-Film Zeit der Götter merkt Schilling an, dass es in seinem Zyklus „um Gestalten der Tradition und die Verbindung von deutschem und griechischem Mythos geht, aber auf sehr persönliche Weise und passioniert von mir empfunden […].“ (Lutz Dammbeck, S, 73).So trifft die Irminsul auf den Äskulapstab, begegnen sich Odin und Zeus, werden Gral und Goldenes Vlies gleichermaßen gesucht. Für Schilling manifestiert sich in Tage der Götter, wie auch in seinen anderen Werken, das geheime Deutschland, diese besondere Provinz innerhalb der geistigen Topographie Europas, zu deren Einwohnern der Dichter nicht nur sich, sondern auch Breker und manch anderen zählt. In diesem Reich fließen die vom Moderneprozess in den Untergrund gedrängten Ströme der Tradition zusammen, stauen sich auf, um eines Tages wieder zur Oberfläche vorzudringen.

Brekers Zusammenarbeit mit Schilling steht in einer langen Reihe von Freundschaften und Arbeitsbeziehungen, die der Bildhauer zu Schriftstellern und Dichtern unterhielt und die in seinem Werk deutliche Spuren hinterlassen haben. Vor allem zu nennen ist hier Jean Cocteau. Die beiden Männer lernten sich während des Paris-Aufenthalts Brekers Ende der zwanziger Jahre kennen, ihre Freundschaft überdauerte den Zweiten Weltkrieg und endete erst mit dem Tod Cocteaus 1963. Brekers Büste von Cocteau steht bis heute in der Kapelle Saint Blaise des Simples, in der der Dichter, Maler und Filmemacher bestattet ist. Ebenfalls ein langjähriger Weggefährte Brekers war Roger Peyrefitte, der skandalumwitterte Verfasser etlicher Enthüllungsromane, etwa über die katholische Kirche, die Juden sowie die Freimaurer. Wie Breker war Peyrefitte ein großer Bewunderer der griechischen Kultur. Seine monumentale dreibändige Biographie über Alexander den Großen inspirierte Breker zur Skulptur Der junge Alexander, der zweifelsohne bedeutendsten Arbeit seines Spätwerks.

Zu den von Breker porträtierten Schriftstellern zählen darüber hinaus Gerhard Hauptmann, Ezra Pound, Henri de Montherland, Leopold Senghor und Ernst Jünger, nicht zu vergessen das Denkmal für Heinrich Heine, das nach langen Kämpfen schließlich auf Norderney aufgestellt wurde. Eher außergewöhnlicher Natur sind mehrere Lithographien mit Darstellungen des japanischen Romanciers Yukio Mishima, der sich im November 1970 nach einem gescheiterten Putschversuch Seppuku beging, dem rituellen Selbstmord der Samurai. Mehrere Graphiken widmete Breker zudem der antiken Dichterin Sappho. Bereits 1980 hatte Breker für den bibliophil ausgestatteten Gedichtband Carmina Equestra des flämischen Dichters Lambert Jageneau acht teilweise kolorierte Lithographien geschaffen.

Gemeinsam mit dem Anfang 1991 vollendeten Selbstbildnis bildet Tage der Götter den Abschluss von Brekers Schaffen. Während man das Buch als Vermächtnis deuten kann, in dem Breker gemeinsam mit einem Geistesverwandten noch einmal beschwört, was sein Werk auszeichnet und begründet – die Feier der Schönheit, die Kultur der Griechen, die vitale Kraft der Jugend – verkörpert das Selbstbildnis die Summe eines langen Künstlerlebens mit manchen Höhen und vielen Tiefen: der Gram über jahrzehntelang erlittene Anfeindungen und die Missachtung der eigenen Arbeit seitens der Öffentlichkeit haben sich in das Gesicht eingegraben, da ist kein Ausdruck des Stolzes auf das Geleistete oder die weise Gelassenheit des Alters, stattdessen nur eine schon resignativ zu nennende Traurigkeit, ein Leiden am eigenen Los. So verkörpern Tage der Götter und das Selbstbildnis im Zusammenhang betrachtet das Schwanken des Menschen zwischen Licht und Schatten, mithin eine der Quellen wahrer Kunst.

Auf die Frage von Lutz Dammbeck, ob er ein Revival von Arno Breker und seiner Kunst für möglich hält,
antwortet Rolf Schilling:

„Ich sehe die Zeit zwischen 1914 und 1989 als eine Art Interregnum, und ich glaube, daß irgendwann jetzt ein Paradigmenwechsel stattfinden wird. Alles hat seine Zeit, und eine gewisse Überschätzung dessen,
was man im weitesten Sinne als ‚Moderne‘ bezeichnet hat, weicht.“ (Lutz Dammbeck, S.74).

Noch lässt der prognostizierte Paradigmenwechsel auf sich warten, erscheint allenfalls für einen Moment als fernes Wetterleuchten am Horizont. Aber die Skulpturen Brekers in ihrem Garten sind geduldig, wie auch die Verse Schillings geduldig sind: ihre Zeit wird kommen als Vorbilder und Inspirationsquelle für eine künftige Künstlergeneration.

Literatur
Dammbeck, Lutz: Herakles-Konzept. O. O., o. J.
Hackel, Rainer: Im Irrlicht. Arno Breker und seine Skulpturen. Wetzlar 2013
Schilling, Rolf / Breker Arno: Tage der Götter. München 1991
Rolf Schilling: Schwarzer Apollon. Essays zur Symbolik. München 1990.
Der.: Eros und Ares. Essays. München 1995
Ders.: Lebens Mittag. Erstes Buch. Notizen und Träume. München 1995.

Michael Boss

 


 

DAS LETZTE WORT

Die Begeisterung für eine gegenwärtige Schönheit ist das Primäre.
Natur ist nie häßlich. Ihre Schönheit gilt es darzustellen.

- Arno Breker -

 

 


Impresssum:

Herausgeber: Arno-Breker-Gesellschaft Düsseldorf e.V., Hinterfeld 42c, 41564 Kaarst.
Verantwortlicher Redakteur: Michael Boss
Internet: www.arno-breker.info E-mail: arno-breker-ges@gmx.de

 



 

MITTEILUNGEN


DER ARNO-BREKER-GESELLSCHAFT DÜSSELDORF
Nr.12 Herbst 2019

Nach einer Pause von fast Jahren liegt endlich wieder eine neue Ausgabe der Mitteilungen der Arno-Breker-Gesellschaft Düsseldorf vor ihnen. Schwerpunkt der aktuellen Ausgabe ist der im letzten Jahr veröffentlichte Briefwechsel zwischen Arno Breker und dem Kunstkritiker Albert Buesche. Neben einer Rezension des lesenswerten und an vielen Stellen überraschenden Buches hat uns der Herausgeber Rainer Hackel in einem Interview einen kleinen Einblick in seine Editionswerkstatt gegeben.

Heiner E. Frisch           Michael Boss
(Vorsitzender)             (Redakteur)

 

 

Aktuelles


BRIEFWECHSEL ARNO BREKER – ALBERT BUESCHE

Nach vielen Irrungen und Wirrungen finden der Bildhauer Arno Breker und seine aus Griechenland stammende Ehefrau Demetra im Herbst 1945 eine neue Heimstatt im schwäbischen Wendern. Der Sturz konnte tiefer nicht sein: nur wenige Monate zuvor noch residierte Breker als einer der führenden bildenden Künstler des Dritten Reichs im eigenen Schloss mit großzügig bemessenen Atelier im in der Nähe von Berlin gelegenen Jäckelsbruch, nun wohnt er auf engstem Raum, hat gerade Platz genug zum Aquarellieren und steht beruflich am Nullpunkt. Dabei kämpft Breker nicht nur, wie Millionen andere Deutsche auch, mit den Alltagsproblemen, sondern sieht sich zudem immer wieder Anfeindungen von verschiedenster Seite ausgesetzt.

Nachlesen lassen sich Brekers eindringliche Schilderungen seiner damaligen Lebenssituation im kürzlich erschienenen Briefwechsel zwischen ihm und dem 1896 geborenen Kunstkritiker und Dramaturgen Albert Buesche. Begonnen hatte dieser Briefwechsel bereits 1942 anlässlich von Arno Brekers großer Werkschau in Paris, zu der Buesche einen Kurzführer verfasste, er endete mit dem Tod Buesches im Jahr 1977. Ihre höchste Intensität erlebte die Korrespondenz in der Zeit zwischen 1945 und 1951, in der die beiden Briefpartner damit beschäftigt waren, ihr Überleben im besetzten Nachkriegsdeutschland zu organisieren und ihre Existenzen auf neue Füße zu stellen. Breker übersiedelte 1949 nach Düsseldorf, wo er bis zu seinem Tod 1991 leben sollte, während Buesche mit seiner Frau, der Schauspielerin Ursula Krieg, in der Ruinenstadt Berlin wohnt und sich u.a. mit der schlechten Versorgungslage und regelmäßigen Stromsperren konfrontiert sieht.

Breker und Buesche schildern nicht nur ihr Überleben in den Wiederaufbaujahren nach der Stunde Null, sondern reflektieren auch über die geistigen Grundlagen, auf denen die Kultur Deutschlands neu aufgerichtet werden kann. Manchem Verächter des Werks Arno Brekers mag es verblüffen, wie sehr der protestantische Bildhauer im Christentum verwurzelt ist. So schreibt Breker im Brief vom 25.06.1947: „Die historischen Ereignisse haben uns nackt und bloß an den Strand gespült. Uns bleibt das Urfundament Antike und Christentum. Aus diesen Quellen gespeist, werden wir die letzte
Strecke unseres Weges, ausgestattet mit dem Notwendigsten, zurücklegen.“

Im Werk spiegelt sich diese Verbundenheit in Brekers verstärkter Hinwendung zu christlichen Motiven wieder. So berichtet er Buesche von seinen Vorarbeiten für einen Hl. Sebastian, und zu Beginn der 1950er Jahre fertigt er für die Zentrale des Gerling-Konzerns in Köln Reliefs der Heiligen Drei Könige sowie der Heiligen Georg und Christopherus.
Darüber hinaus hinterfragt Breker aber auch seine Rolle an exponierter Stelle im Dritten Reich. Diese selbstkritischen Überlegungen und das Eingestehen der eigenen Schuld gipfeln am 8. August 1946 in dem Bekenntnis: „Ich schrieb Ihnen schon, dass ich es als gottgewollte segensreiche Fügung ansehe, von den großen Aufgaben befreit zu sein, so verlockend auch die Durchführung dieser Probleme zu sein schien. Aber diesem Regime durfte man keine Denkmäler bauen und ich ahnte frühzeitig den Bruch, den ich schweigend in meiner Brust verschlossen, mit mir herumtrug. Andeutungsweise haben Sie das eine oder andere früher schon erfahren. Nur durch die schonungslose Erkenntnis eines tiefschürfenden Mea Culpa wird der Weg frei.“ Hier spricht ein Verführter, der sich von einer Ideologie instrumentalisieren ließ und dabei
viele seiner künstlerischen Ideale verriet.

Herausgegeben haben den Briefwechsel Arno Brekers Tochter Carola sowie der Brekerforscher Rainer Hackel, von dem auch die einfühlsame und kenntnisreiche Einführung stammt. Bleibt zu hoffen, dass diese erste größere Veröffentlichung aus dem Nachlass Arno Brekers den Anstoß gibt, Leben und Werk des Bildhauers neu zu bewerten.

Carola Breker / Rainer Hackel (Hrsg.): „Diesem Regime durfte man keine Denkmäler bauen…“.
Der Briefwechsel zwischen Arno Breker und Albert Buesche. Verlag Traugott Bautz 2018

Michael Boss

 

 

Interview


Mit dem Breker-Kenner Rainer Hackel sprachen wir über den von ihm edierten Briefwechsel zwischen
Arno Breker und Albert Buesche.

Wie sind Sie auf den Briefwechsel zwischen Arno Breker und Albert Buesche gestoßen?

Wenn ich mich recht erinnere, hatte mir Frau Breker den Ordner mit dem Briefwechsel noch vor der Schweriner Ausstellung (2006) übergeben, und zwar mit dem Hinweis, dass Albert Buesche ein enger Freund ihres Mannes gewesen sei, der sich über jeden Brief Buesches sehr gefreut habe.

Welche Arbeiten waren für die Edition des Briefwechsels nötig, und wie gestaltete sich die Zusammenarbeit mit
Arno Brekers Tochter Carola?

Ich musste alle Briefe abschreiben. Buesches Handschrift, aber auch einige Durchschläge seiner mit Schreibmaschine geschriebenen Briefe waren schwer zu entziffern. Brekers Handschrift dagegen war gut lesbar. Carola Breker hat mir bei der Recherche von Persönlichkeiten geholfen, die in den Briefen erwähnt werden – und sie hat noch zwei weitere Briefe von Buesche im Archiv gefunden.

Wie bewerten Sie Arno Brekers im Briefwechsel gemachtes Schuldeingeständnis und seine deutliche Distanzierung vom Dritten Reich? Im Gegensatz zu Buesche war der Bildhauer ja niemals Mitglied der NSDAP.

In der Tat war Brekers Schuldeingeständnis eine Überraschung, da es über alles hinausgeht, was Breker später zu seiner Tätigkeit als Staatsbildhauer des Dritten Reichs geäußert hat. Dass Breker für das Dritte Reich Denkmäler baute, was er bereute, ist freilich keine Kritik an deren künstlerischer Qualität, die der Bildhauer nie in Frage gestellt hat. Aber das Schuldeingeständnis zeigt doch, dass für Breker, der fast alle Plastiken für den öffentlichen Raum schuf,
die Autonomie der Kunst ein Problem war.
Es hat mich übrigens nicht überrascht, dass weder die Presse noch Trimborn in seiner „Biographie“ das Schuldeingeständnis Brekers auch nur erwähnt haben. Es wurde tot geschwiegen.

Was hat Sie bei der Lektüre der Briefe inhaltlich am meisten überrascht?

Brekers Interesse an Jean Paul Sartre – und seine innere Unberührtheit von der NS-Ideologie.

Wie würden Sie das persönliche Verhält zwischen Breker und Buesche bewerten?

Vor allem in der Nachkriegszeit war die Freundschaft zwischen Breker und Buesche sehr eng und die Briefe waren sehr ausführlich und bewegend. Die wenigen Notizen Buesches über Brekers Kunst, die sich in dem Konvolut der Briefe befanden und die durchaus nicht unkritisch sind, gehören zum Besten, was bis heute über Breker geschrieben wurde. Aber in der Tat hat sich Buesche leider zu keiner Arbeit über Breker hinreißen lassen – und sei es auch nur ein Zeitungsartikel. In einem Brief schreibt er Breker, es helfe wohl nicht viel, wenn ein Nazi für den anderen eintrete.

Welche Rolle wird der nun veröffentliche Briefwechsel für eine zukünftige Bewertung von Leben und Werk Arno Brekers spielen, und muss seine Biographie nun nicht in Teilen auch neu geschrieben werden?

Eine Biographie über Arno Breker müsste überhaupt erst einmal geschrieben werden, denn Trimborns von inquisitorischer Unerbittlichkeit zeugendes Buch verdient diese Bezeichnung nicht. Aber in der Tat bildet der Briefwechsel zwischen Breker und Buesche einen unverzichtbaren Mosaikstein einer Biographie über Breker.

Fragen: Michael Boss / via E-Mail

 

 

DAS LETZTE WORT

„Aber genauso wichtig ist die Beziehung zwischen Glauben und Kunst, weil die Wahrheit, das Ziel der Vernunft, sich in Schönheit ausdrückt und in der Schönheit sie selbst wird, sich als Wahrheit erweist. Also muss dort, wo die Wahrheit ist, die Schönheit entstehen, wo der Mensch sich in richtiger, guter Weise verwirklicht, drückt er sich in der Schönheit aus. Die Beziehung zwischen Wahrheit und Schönheit ist unauflöslich, und deshalb brauchen wir die Schönheit. […] Wir müssen alles tun, damit auch heute der Glaube in echter Kunst Ausdruck findet, […] Und die Kunst darf den Kontakt zum Glauben nicht verlieren.“

- Benedikt XVI (2011) -

 

Impresssum:
Herausgeber: Arno-Breker-Gesellschaft Düsseldorf e.V.,
Hinterfeld 42c, 41564 Kaarst.
Verantwortlicher Redakteur: Michael Boss
Internet: www.arno-breker.info E-Mail: arno-breker-ges@gmx.de

 



 

MITTEILUNGEN


DER ARNO-BREKER-GESELLSCHAFT DÜSSELDORF
Nr.11 Sommer 2017

Nach einer Pause von über 1 ½ Jahren liegt endlich wieder eine neue Ausgabe der Mitteilungen der Arno-Breker-Gesellschaft vor Ihnen. Grund für die Pause waren berufliche und private Veränderungen (Umzug) beim verantwortlichen Redakteur, die für das Thema Arno Breker keinen Raum ließen.
Überschattet wird das Erscheinen dieses Rundbriefs vom Tod von Dr. Gert Mannes. Das Gründungsmitglied
der Arno-Breker-Gesellschaft Düsseldorf verstarb am 23.06.2017 in Hilden.
Somit sind diese Mitteilungen seinem Angedenken gewidmet.

Heiner E. Frisch           Michael Boss
(Vorsitzender)             (Redakteur)

 

Aktuelles

Nachruf
Dr. Gert Mannes
* 6. November 1933 + 23. Juni 2017

Herr Dr. Mannes war ein profunder Kenner und ein großer Verehrer des Werks von ARNO BREKER. Er kannte den Künstler seit vielen Jahren und pflegte einen regelmäßigen Gedankenaustausch mit ihm. Seit dem Tode seines Freundes im Jahre 1991 bemühte er sich um die Gründung eines rechtsfähigen Freundeskreises. Im April 2010 war es dann endlich soweit und mit neun Gleichgesinnten gründete er im Hause Dr. Lohausen die ARNO-BREKER-GESELLSCHAFT Düsseldorf e.V., deren Vorstand er und seine Gattin Ilsedore Mannes seither angehörten.

Herr Dr. Mannes war in all den Jahren ein engagierter und tatkräftiger Unterstützer unserer Arbeit.
Sein wertvoller Rat wird uns sehr fehlen.

In einer würdigen Trauerfeier nahmen Frau Dr. Carola Breker, die Tochter des Künstlers, unser Vorsitzender, Heiner E. Frisch mit Dr. Herman Lohausen, sowie weitere hundertfünfzig Wegbegleiter Abschied von Herrn Dr. Mannes.
Herr Frisch hat dabei auf Wunsch der Witwe vor der Korona ausdrücklich das Engagement und die Bewunderung
des Verstorbenen für den großen deutschen Bildhauer des letzten Jahrhunderts gewürdigt.

Herr Dr. Mannes hinterlässt eine große Lücke in unserem Freundeskreis.
Wir werden ihm stets ein ehrendes Andenken bewahren.

 

Rückblick

Vortragsabend in Düsseldorf

Am 28.09.2016 veranstaltete die Arno-Breker-Gesellschaft Düsseldorf ihre erste Abendveranstaltung.
Vor rund 40 Besuchern sprach Eberhard Brand über Arno Brekers Bayreuther Porträt von Richard Wagner.
Nach einem kurzen Abriss zur Entstehung der überlebensgroßen Büste veranschaulichte der Referent anhand einer Fülle von Beispielen, wie die Bayreuther Festspiele nach 1945 das Porträt zur Eigenwerbung genutzt haben. Brand konnte nachweisen, wie sehr die Arbeit von Breker mittlerweile zum Symbolbild für die Wagner-Festspiele geworden ist - in Programmheften ebenso wie auf Einladungs- und Ansichtskarten.

 

Rezension

Rainer Hackel: Rolf Schilling – Apologie eines verkannten Dichters

Der Dichter Rolf Schilling gehört zu den großen Einzelgängern der deutschen Gegenwartsliteratur. Konsequent
beharrt er auf den klassischen lyrischen Formen und unterwirft seine Dichtung den Gesetzen von Reim und Metrum. Auch bei der Wahl seiner Themen ist Schilling seltsam aus der Zeit gefallen, Gegenwartsbezüge oder Kommentare zum Zeitgeschehen sucht man bei ihm vergebens. Stattdessen widmet er sich in seinen Gedichten neben der Natur vor allem den Mythen Europas und dem Pantheon des heidnischen Altertums. Dies hat Schilling in den 1990er Jahren zu einem Vorbild für deutsche Neofolk-Bands werden lassen, so vertonten etwa ORPLID einige von seinen Gedichten. Die selbstgewählte, solitäre Außenseiterposition hatte Rolf Schilling bereits zu DDR-Zeiten inne, und nach der Wende hat sich an dieser Position nichts geändert. Da verwundert es kaum, dass Rainer Hackels kürzlich im Bautz-Verlag erschienene Apologie die erste Monographie ist, die sich kritisch-analytisch mit dem lyrischen Werk von
Rolf Schilling befasst.

In seinem Essay legt Rainer Hackel die wesentlichen Motive der Schilling’schen Dichtung frei, wobei er neben Natur und Mythos vor allem den Traum als wesentliches Sujet hervorhebt. Zudem bestimmt Hackel den geistes- und literaturgeschichtlichen Ort des Werkes von Schilling, wobei er als Bezugspunkte Hegel, Carl Schmitt, Ernst Nolte sowie die Dichter Goethe, Hölderlin, Hugo von Hofmannsthal und vor allem Ernst Jünger benennt. Zu Letzterem stand Schilling in engem Kontakt, zunächst nur brieflich, bis es nach dem Mauerfall auch zu persönlichen Begegnungen kam. Was Jünger und Schilling vor allem verbindet ist das Wissen um den schon weit fortgeschrittenen Niedergang der abendländischen Kultur, und Hackel versäumt es nicht, diesen Aspekt als einen Schlüssel für das Verständnis der Dichtung Schillings hervorzuheben. Der Zugriff Hackels auf seinen Gegenstand bleibt stets subjektiv und assoziierend, wodurch der Text einen frei schwebenden Charakter erhält und dem Leser Räume eröffnet werden, eigene Überlegungen zu den zitierten Primärtexten anzustellen.

Zum Abschluss seiner Ausführungen widmet sich Rainer Hackel noch der Beziehung zwischen Schilling und Arno Breker. Schilling hatte den greisen Bildhauer nach der Wende kontaktiert und wenige Monate vor dessen Tod in seinem Atelier besucht. Gemeinsam gestalteten Sie das Künstlerbuch Tage der Götter, das Dichtungen von Schilling mit Graphiken Brekers verbindet. Hackel analysiert vor allem Schillings Gedicht Schwertträger, das er in Beziehung zu Brekers Skulptur Bereitschaft setzt.

In die Irre führt der Untertitel des Buchs. Rainer Hackel liefert keineswegs eine vorbehaltlose Verteidigungsschrift, vielmehr stellt er auch die problematische Seite dar, die das von Schilling gewählte Verständnis vom Dichter und seinem Schaffen in sich trägt. Im Rahmen seiner Überlegungen und Meditationen zitiert Rainer Hackel ausgiebig aus den Gedichten Rolf Schillings, womit er nicht nur eine Einführung in sondern zugleich auch eine repräsentative Auswahl aus dessen Werk liefert. Und so regt die Lektüre von Hackels Apologie vielleicht manchen Leser dazu an, sich intensiver mit den Werken von Rolf Schilling zu befassen.

Rainer Hackel: Rolf Schilling – Apologie eines verkannten Dichters. Verlag Traugott Bautz 2017, € 10,00.
(Auch über unsere Gesellschaft zu beziehen)

Michael Boss

 

DAS LETZTE WORT

„[Mit] der Ausstellung über Arno Breker in Schwerin verbinden sich für mich lebhafte Erinnerungen. Wir hatten damals nämlich ein Sommerhaus in der Nähe von Mölln und also auch von Schwerin, und deshalb haben wir die Ausstellung besucht. Ich fand ein älteres Urteil von mir bestätigt: es wäre schlimm gewesen, wenn Brekers künstlerische Linie die herausragende geblieben wäre, aber es wäre ebenfalls schlimm, wenn es für diesen interessanten und vielseitigen Künstler in Deutschland auf Dauer keinen Platz mehr geben würde. Sie haben sich um eine bedeutende, aber immer noch größtenteils ausstehende Aufgabe ein bemerkenswertes Verdienst erworben, nämlich das Verständnis für die im Kern Unschuldigen der ‚Mitschuldigen‘ in ‚Deutschlands finsterster Zeit‘.“

- Ernst Nolte, aus einem Brief an Rainer Hackel -

 

Der Vater aller Dinge Rief dich zu sich! du gingst Zu ihm, zum Ring der Ringe,
Bis du sein Heil empfingst. Den Kampf hast du genossen,
Da Jugend dich beschlich: Die Kugeln sind verschossen -
Nur eine bleibt für dich!

Mit Flecktarn, straffem Scheitel, In Stiefeln, stets geputzt,
Mit Versen, stark, doch eitel, Von Liebe ungestutzt,
Zogst du ins Feld, verdrossen: Dir einzig Ares glich!
Die Kugeln sind verschossen -
Nur eine bleibt für dich!

Du hast den Traum getragen Als Banner durch den Sturm
Aus Lüge und Entsagen, Allein, von Turm zu Turm.
Dein Traum! er ist zerflossen, Die Zeit des Kriegs verstrich.
Die Kugeln sind verschossen -
Nur eine bleibt für dich!
.
Verwundet, ohne Jammer, Liegst du in Blut und Dreck,
Der Altersmilde Hammer Erfüllte seinen Zweck:
Zerstampft von Flügel-Rossen, Dein Sehnen frei entwich:
Die Kugeln sind verschossen -
Nur eine bleibt für dich!

Dein Brot brachst du mit Maden, Dir selbst blieb nichts, Vagant!
Wo sind die Kameraden? Geflohen, gar verbrannt
Im Rad aus Fron, von Trossen Gegeißelt bürgerlich?
Die Kugeln sind verschossen -
Nur eine bleibt für dich!

Der Sold ist längst versoffen. Dein Puls wird leiser und
Es rinnt ein letztes Hoffen Als Rinnsal aus dem Mund.
Der Runen Sternensprossen Geweihter Glanz verblich:
Die Kugeln sind verschossen
Nur eine bleibt für dich!

Nicht Morphium kann dich retten! Der blauen Blume Halm
Zerbrach, verdorrt in Ketten Von Zigarettenqualm.
Dein Horizont begossen Von Schnaps, verkam zum Strich:
Die Kugeln sind verschossen
Nur eine bleibt für dich!

Wird dich ein Engel finden? Zu dunkel ist es schon!
Bald gehst du mit den Winden Als unerkannter Sohn
. Des Himmels dir verschlossen, Zerschrammt von Suff und Stich:
Die Kugeln sind verschossen
Nur eine bleibt für dich !

Dich kann kein Wort befreien Von deiner Weise Bann!
Hörst Du die krähen schreien? Du bist ein toter Mann.
Sie kreisen, reich an Possen, Frohlocken, streiten sich:
Die Kugeln sind verschossen
Nur eine bleibt für dich!

 

Impresssum:
Herausgeber: Arno-Breker-Gesellschaft Düsseldorf e.V.,
Hinterfeld 42c, 41564 Kaarst.
Verantwortlicher Redakteur: Michael Boss
Internet: www.arno-breker.info E-Mail: arno-breker-ges@gmx.de

 


 

 

Die ARNO-BREKER-GESELLSCHAFT DÜSSELDORF e.V

lädt ein zum Vortrag von

Eberhard Brand

„Brekers Richard-Wagner-Büste im Dienste
Bayreuths und seiner Festspiele“

am Mittwoch, 28. September 2016 um 19:00 Uhr im „Take-Off“
1. OG der Fa. Brauckhoff, Niederrheinstraße 141 in Düsseldorf.

Über Ihre Teilnahme würden wir uns sehr freuen.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr

Heiner E. Frisch
Vorsitzender der ARNO-BREKER-GESELLSCHAFT Düsseldorf e,V.

Ihre Zusage richten Sie bitte bis zum 18.September 2016 an
E-Mail: arno-breker-ges@gmx.de oder an
Heiner E. Frisch Hinterfeld 42 c in 41564 Kaarst; Telefon:02131- 666 104

Die Zufahrt ist direkt neben der Shell-Tankstelle; Parkplätze sind ausreichend vorhanden.
Die nächste Straßenbahnhaltestelle „U-Lohausen“ ist 1100m entfernt =12min Fußweg

 




 

MITTEILUNGEN


DER ARNO-BREKER-GESELLSCHAFT DÜSSELDORF
Nr.10                                                  Sommer 2015

Mit dieser Ausgabe liegt nun bereits die Nr. 10 der Mitteilungen der Arno-Breker-Gesellschaft Düsseldorf vor ihnen, es kann also ein kleines Jubiläum begangen werden. Aus diesem Anlass möchten wir hier noch mal den Aufruf an alle Leserinnen und Leser dieses kleinen Rundbriefs wiederholen, sich an dessen Gestaltung mit Beiträgen gleich welcher zum Thema Arno Breker zu beteiligen. Nur so ist es in Zukunft möglich, ein möglichst vielstimmiges Publikationsorgan zu Breker weiterzuführen, immerhin das einzige seiner Art im deutschsprachigen Raum.
Wie immer wünschen wir Ihnen eine anregende Lektüre, verbunden mit der Hoffnung auf einen schönen Spätsommer sowie einen goldenen Herbst.


                                       Heiner E. Frisch                          Michael Boss
                                        (Vorsitzender)                            (Redakteur)

    

 

 

Aktuelles

Die Aurora ist wieder da

Seit dem 18. August diesen Jahres befindet sich die 1926 von Arno Breker geschaffene Skulptur Aurora wieder auf ihrem Stammplatz auf dem Dach des Belvedere des Museums Kunstpalast in Düsseldorf. Im Dezember 2014 war die acht Tonnen schwere, aus Muschelkalk gefertigte Plastik demontiert worden, da das Dach des Museums über die Jahrzehnte marode geworden war und einer Kernsanierung unterzogen werden musste, um ein Einstürzen der gesamten Konstruktion zu verhindern. So wurden die Deckenplatten entfernt und der darunterliegende Stahlträgerverband an den statisch relevanten Stellen verstärkt. Die Kosten der Sanierung beliefen sich auf rund 490.000 Euro und wurden gemäß der aktuellen Energiesparverordnung und nach heutigen Brandschutzbestimmungen durchgeführt. Die Aurora selbst wurde in dieser Zeit von Grund auf saniert und erstrahlt nun im neuen Glanz.

 

Interview


Im Gespräch mit Uwe Nolte

Der Dichter, Musiker, Maler und Rezitator Uwe Nolte ist ein Vertreter der deutschsprachigen Neofolk-Szene (vgl. Mitteilungen Nr. 7 / Sommer 2014) und in der Vergangenheit besonders mit seinem Bandprojekt ORPLID in Erscheinung getreten. Als Dichter ist er ein Schüler von Rolf Schilling, mit dem er auch ein gemeinsames CD-Projekt realisiert hat. Noltes zweiter Gedichtband Wilder Kaiser erschien 2014 im Verlag Arnshaugk. Für den Jahreswechsel 2015/2016 ist zudem ein Bildband angekündigt, in dem Nolte einen Querschnitt über sein bisherigen Wirken präsentiert. Wir haben den Künstler zu seinem Verhältnis zu Arno Breker befragt.

 

Welche Bedeutung  hat oder hatte das Schaffen Arno Brekers generell  für Ihre Arbeit als
Dichter, Musik und bildender Künstler?

Brekers Werk und Walten haben heutzutage keinen unmittelbaren Einfluss auf mein Werk. Als ich jung war und mein Herz noch zu laut schlug, ließ ich mich allerdings gern von Brekers Darstellungen des Heldentums verführen. Insofern hat er das Recht, als Inspirationsquelle genannt und gewürdigt zu werden. Jetzt, wo sich Ares und Eros halbwegs die Waage halten, spricht die Gestalt des Barberinischen Fauns deutlicher zu mir. Sie wirkt ausgeglichener und zeitloser. Mensch und Gott begegnen sich in ihr deutlicher, ganz dicht am Saum ihres getrennten Seins. Dieses Werk atmet Vollkommenheit!

Gibt es Arbeiten von Ihnen, die direkt oder indirekt vom Schaffen Arno Brekers und seiner Haltung als Künstler beeinflusst sind?

Sicherlich war ich bei dem Gedicht Neofolk-Veteran nah an Brekers Verwundeten, aber auch ansonsten bewege ich mich ja in einer ähnlichen traditionellen Linie. Das geschieht ganz unbewusst. Man muss nur anständig und stilbewusst bleiben, sich nicht vom Zeitgeist verführen lassen, dann ist man sich, Breker sprich dem "Ewig Schönen" treu.

 

NEOFOLK-VETERAN

 

Wie bewerten Sie persönlich das Werk Arno Brekers?

Handwerklich und künstlerisch ist Breker ein Meister ersten Ranges. Sein Schaffen ist beispiellos und wird seine Berechtigung im Wandel der Zeit nicht nur erhalten sondern auch ausbauen. Mir persönlich ist Brekers Gesamtwerk aber zu unausgeglichen, zu männlich, harsch und lieblos, was aber eventuell seiner etwas zu tendenziellen Auftrags-Arbeit während des Dritten Reichs verschuldet ist. Wenn er jedoch ins Verspielte, in die Nuance der darzustellenden Person driftet, wie es oft bei den Büsten der Fall ist, sagt mir Breker sehr, sehr zu. Er vermag Züge der Persönlichkeit zu zeigen, die hinter der Maske der Physiognomie verborgen sind: das ist die wahre Meisterschaft des Skulpteurs! Man siehe nur Ernst Jüngers oder Salvador Dalís Büste. Vortrefflicher kann man nicht porträtieren. Ich habe großen Respekt!

 

Könnten Sie  sich vorstellen, sich in Zukunft abermals mit Breker auseinanderzusetzen, in welcher künstlerischen Form auch immer?

 

Ich lasse mich immer wieder gerne von Sturm, Fels und Blitz – also Brekers Quell, inspirieren. Alles ist so nah beieinander. Kunst und Natur entstammen EINER Feder! Ich muss kein konkretes Werk von Breker sehen, um durch ihn Inspiration zu erfahren. Seine Kunst sehe ich im Geflecht der Wolken, im Geäder eines Fluss-Deltas oder bei Wanderungen im Felsgeröll. Die Kraft seiner Gestalten ist überall, atmet im Elementaren und zeigt sich als schöner Sieg über das Chaos!

Vielen Dank für die Beantwortung unserer Fragen!

Weitere Information zu Uwe Nolte: www.noltex.de
Fragen (via E-Mail): Michael Boss

DAS LETZTE WORT

„Im Herbst tritt jede Bildung dichter, plastischer hervor. Der Frühling ist Maler, der Herbst Bildhauer. Nicht nur die Früchte beginnen sich zu runden, sondern auch das Laub wird starrer, metallischer. Die Blätter schwellen im Ansatz, bevor sie rosten und sich ablösen. Die Kronen zeichnen sich dunkler und strenger vom Himmel ab. Die Schwalben sammeln sich; der Häher streicht über die Lichtungen.“

                                                                                                        - Ernst Jünger Subtile Jagden -

 

 

Impresssum:

Herausgeber:  Arno-Breker-Gesellschaft Düsseldorf e.V.,
Hinterfeld 42c, 41564 Kaarst.
Verantwortlicher Redakteur:  Michael Boss
Internet: www.arno-breker.info   E-mail: arno-breker-ges@gmx.de

 

 



 

MITTEILUNGEN


DER ARNO-BREKER-GESELLSCHAFT DÜSSELDORF
Nr.8 Winter 2015

Auch wenn der Jahreswechsel schon einige Wochen zurück liegt, wünschen wir allen Leserinnen und Lesern alles Gute für das Jahr 2015.
Schwerpunkt dieser Ausgabe der Mitteilungen ist ein Interview mit dem Bildhauer und Graphiker Gautam, der 1989 die Gelegenheit hatte, Arno Breker in seinem Atelier zu besuchen. Im Gegensatz zu vielen seiner Kolleginnen und Kollegen scheut Gautam es nicht, sich positiv auf Arno Breker als Vorbild für sein Schaffen zu beziehen – was in der gegenwärtigen Kunstszene ja die absolute Ausnahme darstellt, andererseits aber auch zeigt, dass es immer noch Künstler gibt, die die Flamme der klassischen Bildhauerei und einer traditionellen Kunstauffassung weitertragen.


Heiner E. Frisch Michael Boss
(Vorsitzender) (Redakteur)

 

 

 

Aktuelles
Arno Brekers Aurora demontiert

Düsseldorf Anfang Dezember 2014 wurde Arno Brekers Skulptur Aurora vom Belvedere des Museums Kunstpalast entfernt. Mitarbeiter einer Kölner Spezialfirma zerlegten die Figur in insgesamt elf Einzelteile und wickelten den Abtransport ab. Hintergrund der Aktion ist der marode Zustand der Dachkonstruktion des Museums: Statiker befürchteten gar, dass im Falle eines schneereichen Winters die Decke des 1926 vollendeten Gebäudes einstürzen könnten. Die Kosten der Sanierung belaufen sich auf rund 450 000 Euro. Glaubt man den Aussagen der Stadt Düsseldorf, soll die Aurora im März dieses Jahres wieder auf ihren angestammten Platz zurückkehren. Die Familie Breker, immerhin Eigentümerin der Urheberrechte, erfuhr erst durch die lokale Presse von der Aktion.

 

Interview

Der am 09. November 1949 in Dortmund geborene Gautam machte zunächst eine Ausbildung zum Schlosser und Elektriker, bevor er 1976 in Bremen ein Studium der Bildhauerei begann, u.a. bei Waldemar Otto. Nach der Beendigung seines Studiums wechselte er an die Maximilians-Universität in München, wo er Kunstgeschichte studierte. In den 1990er Jahre lebte Gautam im niederrheinischen Moers, wo er als Dozent an der von ihm mitbegründeten Kunstschule wirkte. Im Verlauf der Jahre schuf er zahlreiche Skulpturen für den öffentlichen Raum, darunter den Römerbrunnen in Moers sowie die Arbeit Wüstes Land, die dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien gewidmet ist und auf Korsika errichtet wurde. Ferner entstand zwischen 1987 und 1989 eine Porträtbüste von Arno Breker. Seit mehreren Jahren lebt Gautam in Bad Berleburg, wo er hauptberuflich als Kunstlehrer an einem Gymnasium arbeitet. Ende der achtziger Jahre hatte Gautam Gelegenheit, Arno Breker in seinem Düsseldorfer Atelier zu besuchen. Wir haben Ihn zu dieser für ihn besonderen Begegnung befragt. Weitere Informationen zu Gautam und seiner Arbeit finden sich auf seiner Internetseite: https://bildhauergautam.wordpress.com/
 

Welche Gründe haben Sie dazu bewogen, 1987/1988 ein Porträt von Arno Breker zu schaffen und wie gestaltete sich der Entstehungsprozess?

Während meines Studiums zur Bildhauerei in Bremen (1976-1983), ich war 26, hatte mich für das Studium über den zweiten Bildungsweg einschreiben dürfen, war kunstgeschichtlich sehr unbedarft, stieß ich auf Arno Breker. Auf meine Frage bezüglich eines möglichen Kontaktes für unseren Studiengang bekam ich abweisende Antworten. So las ich denn viel und vergaß es wieder, ich hatte neben meinem Studium eine inzwischen 5-köpfige junge Familie zu versorgen (als Elektriker, Fernfahrer, Messebauer, etc. was sich gerade bot). Durch ein Bildhauersymposion 1981 in Osnabrück, lernte ich die Fotografin Cornelia Borck kennen. Wir freundeten uns an und in den nächsten Jahren erfuhr ich von ihr von dem Fotografen Hermann Liemann in Stadtlohn. Er hatte einen guten Kontakt zur Familie Arno Brekers aufgebaut und seinen Sohn Arno getauft. Ich nahm Kontakt zu ihm auf und erfuhr, dass Arno Breker inzwischen sehr „menschenscheu“ geworden war, aufgrund einiger Vorfälle mit Journalisten, die ihn „gelinkt“ hatten, um seinen Ruf noch mehr zu beschädigen. Liemann hatte hervorragende Porträtfotos von Arno Breker gemacht. Ich bat ihn, einige an mich zu verkaufen, mit dem Hinweis, dass ich Arno Breker porträtieren würde. Mich faszinierte die Geschichte dieses Bildhauers, ich sah einen Kopf, der vom Leben gezeichnet und sehr ausdrucksstark war. Während des Arbeitsprozesses, ich wohnte damals in Landsberg am Lech, beschloss ich ihn zu besuchen und machte Aufnahmen von dem entstehenden Kopf. Er war in Ton weitestgehend fertig. Nach meinem Anruf in Düsseldorf und der Erklärung meines Anliegens, bekam ich grünes Licht. Arno Breker wollte mich kennenlernen. Hermann Liemann hatte ihm von mir erzählt, so war Breker darauf vorbereitet. Ich nahm meine Trance [s. Abb.] mit, eine Bronze, die mir viel bedeutete, die Fotos von seinem Porträt hatte ich auch dabei.

 

Wie verlief Ihr Besuch im Atelier von Arno Breker, und wie haben Sie den Bildhauer an diesem Tag erlebt?

Nachdem mich Frau Breker eingelassen hatte, durfte ich, vor der Begrüßung, Herrn Breker still bei der Arbeit zuschauen. Es war eine Negativform, an der er arbeitete! Ich war fasziniert, da ich das nur von mir kannte. Geduldig wartete ich, bis er seine Arbeit beendete. Er begrüßte mich, bat mich in sein Büro und ließ uns was zu trinken bringen. Ich war wie erschlagen, rings um mich herum Bronzeporträts von Menschen, die ich bisher nur von Abbildungen kannte. Er hatte sie geschaffen, lebendige, einzigartige Zeitzeugen. Wenn es überhaupt noch etwas gebraucht hatte, um mich davon zu überzeugen, dass ich einem großartigen Bildhauer begegnete, dann waren es diese Porträts, die mich vollends überzeugten. Ich erzählte, was ich von ihm wusste, dass er im Kunstunterricht an den Kunsthochschulen totgeschwiegen wurde und ich den einzigen noch lebenden Zeitzeugen in Deutschland unbedingt kennenlernen wollte. Ich verhehlte auch nicht, dass ich nicht wusste, wie ich mich verhalten hätte (inzwischen war ich 40 Jahre alt), wenn ich in seiner Situation gewesen wäre. Natürlich war ich brennend interessiert, wie er, dem seine französischen Kollegen eine großartige Karriere voraussagten, dem Regime verfallen konnte.

Arno Breker zeigte mir einen Pappteller, wie man ihn für eine Bratwurst z.B. bekommt, er enthielt einen Text von Picasso und war von diesem signiert. „Selbst Picasso, mit dem ich damals befreundet war, riet mir für Hitler zu arbeiten, das würde meine Künstlerkarriere befördern“, holte Breker aus und wies auf andere Künstler, die er zu dieser Zeit porträtiert hatte, „alle waren der Meinung, dass ich es nicht besser treffen könne.“
Natürlich, so Breker, hatte es dadurch einen Knick in seiner Suche nach einer für ihn gültigen Formensprache gegeben, er zeigte mir eine weibliche Bronze, die er zu dieser Zeit entworfen und realisiert hatte, die mich an Maillol erinnerte und doch in ihrer Figürlichkeit eine eigene, eher zarte Zurückhaltung in ihrer Weiblichkeit hatte. Meine Frage, ob er sich damit selbst verraten hatte, konnte er so nicht abschließend beantworten. Er hatte diesen Weg gewählt, fühle sich natürlich in der Verantwortung für das was er getan hatte und bedaure nur, dass er keine Gelegenheit vor dem Kunstmarkt bekam sich künstlerisch zu rehabilitieren. Die Deutschen seien sich immer noch selbst die größten Feinde. Die Italiener, so Breker, gingen mit der Vergangenheit offener um, sie redeten über ihren Duce und gut, Punkt um.

Wir unterhielten uns noch eine Zeit über mein Studium bei Altenstein und Otto, ich fragte, ob er sich eine Arbeit von mir ansehen mochte und zeigte ihm meine Trance. Er war angetan und lobte die Eigenständigkeit und Figürlichkeit. Ich zeigte ihm die Fotos von dem fast fertigen Porträt. A. Breker war eine Zeit lang sehr ruhig, schaute mich an und sagte: “Das ist das beste Porträt, das je von mir gemacht wurde!“ Das war natürlich Labsal für meine Bildhauerseele, darüber vergaß ich glatt zu fragen, wer je eines gemacht hatte und wie viele…

Ich bedankte mich für die hohe Aufmerksamkeit, die er mir geschenkt hatte und verabschiedete mich Richtung Landsberg.

 


Inwiefern hat das Werk Arno Brekers ihr eigenes Selbstverständnis als Bildhauer beeinflusst?

Überzeugende, qualitätsvolle künstlerische Arbeit, tiefes Durchdringen dessen, an dem man arbeitet, figürlich Präsens, sehen, was unter der Haut passiert, Seele spüren, dass sind die Herausforderungen an einen figürlich arbeitenden Künstler. Hier sehe ich meine Parallelen zu Breker. Ich fühlte mich erneut herausgefordert und bedauerte, dass unser ‚Marktsystem Kunst‘ in seiner kleingeistigen, elitären Dummheit nicht bemerkt/e, dass hier eine Chance verspielt wurde/wird, mit einem wachen Menschen ein System aufzuarbeiten, das vielleicht einen hohen Prozentsatz derer, die sich gegen Breker wandten, auch einverleibt hätte.

Wie bewerten Sie persönlich das Schaffen Arno Brekers, welche Rolle nimmt er Ihres Erachtens in der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts ein?

Wie Breker selber es schon ausdrückte, ich empfand es so, war er nicht wirklich glücklich mit seinen heroischen Figuren. Ich sehe hier eine durch ihn selbst ihn selbst als Künstler herabwürdigende Tat. Er hatte sich dem System verschrieben, Erfolg und folgte diesem Sog. Er hat mit diesen Figuren keine künstlerische Großtat begangen, kann sich mit ihnen nicht seiner Zeit stellen. Da war z.B. eine Käthe Kollwitz mutiger, eigenständiger, künstlerisch ausdrucksvoller.
Allerdings, dass zeigen seine frühen Arbeiten, dass zeigen seine Grafiken, seine Porträts, war er in der Lage, Großes zu schaffen und ausdrucksvolle, lebendige Werke belegen dies.


Seit 1945 gilt Arno Breker als Nicht-Künstler, aus der Kunstgeschichte und dem deutschen Kunstbetrieb wurde er kurzerhand verbannt. Halten Sie es für möglich, dass sich an dieser negativen Bewertung mittelfristig etwas ändern wir, und was sollte getan werden, um eine positive Einschätzung Brekers zu befördern?

 

Eigentlich habe ich diese Frage, vorwegnehmend, immer wieder oben schon beantwortet.
Der deutsche Kunstmarkt, der nach dem Krieg (siehe Studien von Prof. Jürgen Weber) vor allem wieder durch die Menschen geführt und beherrscht wurde, die im Regime ‚entartete Kunst‘ schrien, konnte sich einen Breker nicht leisten, dann wären sie aufgeflogen (oder sehe ich das falsch?).

Breker in den Kunsthochschulen zu verschweigen, heißt einfach „Geschichtsverfälschung“, kunsthistorische Verleumdung. Wir müssen uns immer wieder als Menschen die Frage stellen, was hätte ich selber in dieser Situation gemacht? War der einzelne Mensch überhaupt in der Lage zu übersehen, wohin der Weg der Nazis führte? Konnte man davon ausgehen, dass dieses System menschenverachtend andere, anders gesinnte Menschen einfach tötete? Ich weiß es nicht, ich habe in dieser Zeit nicht gelebt. Doch, wenn man heute verschweigt, was damals wie passierte, legt man den Grundstein für neue Gräuel. Wenn es uns heute an Courage fehlt, Dinge offen beim Namen zu nennen, offen mit ihnen umzugehen, wie wollen zukünftige Generationen es besser wissen? Breker zu verschweigen hieße, einen Menschen, der sich mit Leib und Seele der Kunst und den damaligen Gegebenheiten verschrieben hatte, zu verschweigen, von dem wir vieles lernen können, unter anderem, hier war ein Mensch, nicht mehr und nicht weniger.
Ein großer Künstler, der sich in seiner Zeit einem Regime verschrieben hatte, das nicht Breker wollte, sondern seine Fähigkeit Menschen ihrer Vorstellungen in Bronze und Stein zu verewigen. Leider scheiterte damit Breker vor dem Tribunal der Kunsthistoriker und was noch schlimmer ist, er selber war nicht glücklich mit dieser Entwicklung, ich erlebte ihn eher traurig.

Wir müssen, um die Könnerschaft Brekers herauszustellen den Menschen betrachten, ihn gilt es zu erforschen, um die Seele des Kunstschaffenden zu begreifen.

 


Vielen Dank für die Beantwortung unser Fragen und alles Gute für Ihre weitere Arbeit.

 

 

 

DAS LETZTE WORT

„Durch die Kunst nur vermögen wir aus uns herauszutreten und uns bewusst zu werden, wie ein anderer das Universum sieht, das für ihn nicht das Gleiche ist wie für uns und dessen Landschaften uns sonst ebenso unbekannt geblieben wären wie die, die es möglicherweise auf dem Mond gibt. Dank der Kunst sehen wir nicht nur eine einzige Welt, nämlich die unsere, sondern eine Vielzahl von Welten; so viele wahre Künstler es gibt, so viele Welten stehen uns offen: eine von der anderen stärker verschieden als jene, die im Universum kreisen, senden sie uns Jahrhunderte noch, nachdem der Focus erloschen ist, von dem es ausging, ob er nun Rembrandt oder Vermeer hieß, ihr spezifisches Licht.“


- Marcel Proust -

 

Impresssum:
Herausgeber: Arno-Breker-Gesellschaft Düsseldorf e.V., Hinterfeld 42c, 45564 Kaarst.
Verantwortlicher Redakteur: Michael Boss
Internet: www.arno-breker.info E-mail: arno-breker-ges@gmx.de

 



 

MITTEILUNGEN

DER ARNO-BREKER-GESELLSCHAFT DÜSSELDORF
Nr.7                                                    Sommer 2014

Schwerpunkt der neuesten Ausgabe der Mitteilungen der Arno-Breker-Gesellschaft Düsseldorf ist die Rezeption des Werks Arno Brekers im sogenannten Post Industrial, einer besonderen musikalischen Subkultur, die gemeinhin, wenn auch etwas verkürzt, der Gothic- oder Schwarzen Szene zugerechnet wird. In einem Interview erläutert Christian Erdmann, kreativer Kopf der Formation TRIARII, seine Beweggründe, sich als Musiker mit Arno Breker zu beschäftigen. Christian Erdmann sei an dieser Stelle hierfür ganz herzlich gedankt.
Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre zu einem Thema, das für viele von Ihnen sicherlich Neuland ist.


Heiner E. Frisch          Michael Boss
(Vorsitzender)             (Redakteur)

 


Essay


Zur Rezeption Arno Brekers in der Musik

Seit 1945 ist Arno Breker in der deutschen Kunst und Kultur eine Unperson: von den Kunsthistorikern wurde er kurzerhand zum Nichtkünstler erklärt und somit aus ihrem Zuständigkeitsbereich verbannt, die Historiker ignorierten ihn ebenso und die öffentlichen Museen blieben für sein Werk weitgehend verschlossen und bleiben es noch. So erfreute sich sein Werk nur jenseits des etablierten Kunstbetriebs in einem kleinen Kreis von Liebhabern und Sammlern einiger Beliebtheit. Jedoch nutzen bis heute rechtsextremistische Verlage und Zeitschriften Abbildungen von Skulpturen Brekers für Buchumschläge und Titelseiten, in der Regel wohl ohne zuvor bei den Rechteinhabern, der Familie Breker, eine Genehmigung eingeholt zu haben. Umso mehr muss es erstaunen, dass seine Kunst seit den späten 1980er Jahren in einem Segment der musikalischen Subkultur, dem sogenannten Post-Industrial, rezipiert wird und Musiker sich in ihren Kompositionen positiv auf Breker beziehen, ihn als Inspirationsquelle nennen oder Fotos seiner Arbeiten im Artwork ihrer Tonträger verwenden. Bevor wir diese Rezeption näher untersuchen und an ausgewählten Beispielen veranschaulichen, sollen aber zunächst das Wesen und die geistigen Hintergründe der genannten Musikszene vorgestellt werden, die im Allgemeinen der Gothic- oder Schwarzen Szene zugeordnet wird.

Post-Industrial entstand in den 1980er-Jahren als Weiterentwicklung des Industrial, einer Form der experimentellen Musik, die vor allem auf elektronischer Klangerzeugung basiert und sich alle Arten von Lärm (Noise) und musikfremden Geräuschen zunutze macht, die in einer Collagetechnik zusammengeführt werden. Zum Programm des Industrial gehörte es, mittels subversiver Strategien traditionelle Hörgewohnheiten aufzulösen und soziokulturelle Verkrustungen aufzubrechen. In ihren Texten widmeten sich die Bands des Industrial vor allem kontroversen, oft mit Tabus belegten Themen wie z.B. extremen Spielarten der Sexualität, gesellschaftlichen Außenseitern oder Serienmördern. Die beteiligten Künstler legten großen Wert auf ihre Unabhängigkeit, was zur Gründung eigener Plattenfirmen und der Schaffung neuer Vertriebswege jenseits der konventionellen Musikindustrie führte. Der Post-Industrial selbst ist weitaus weniger homogen, als es der Begriff suggeriert und spaltet sich in verschiedenste Stilrichtungen auf. Für unseren Kontext sind vor allem Neofolk, Dark Ambient und Military Pop von Interesse.

Im Neofolk vollzieht sich eine Rückbesinnung auf traditionelle akustische Musikinstrumente; vor allem Gitarren, verschiedene Blas-, Tasten- und Streichinstrumente kommen zum Einsatz, allerdings ohne dass dabei vollends auf Elemente experimenteller Musik verzichtet werden würde. Thematisch widmen sich die Neofolk-Bands dem Neoheidentum, Okkultismus, europäischer Geschichte und einer oft massiven Kritik an der modernen westlichen Zivilisation. Kulturgeschichtliche Referenzpunkte sind u.a. die Romantik, der Jugendstil, die konservative Revolution und die völkische Bewegung. Zu den Vorbildern der Szene zählen Dichter wie Stefan George, Ezra Pound, Ernst Jünger, Jean Genet oder Yukio Mishima, ebenso die Philosophen Friedrich Nietzsche, Julius Evola und Martin Heidegger; mithin Geistesgrößen, die heute gerne mit dem Etikett „umstritten“ versehen werden. Insbesondere für deutsche Bands ist zudem der Dichter Rolf Schilling von Bedeutung. An bildenden Künstlern genießen Romantiker wie Caspar David Friedrich, Symbolisten wie Arnold Böcklin und Franz von Stuck und eben auch Arno Breker größte Verehrung. Dass Breker von einigen dieser Künstler Porträts geschaffen zeigt, dass er sich selbst diesem Sonderweg der Moderne zugehörig fühlt. Da etliche Musiker aus diesem Umfeld sich intensiv mit nordischer Mythologie beschäftigten, Runen für die Gestaltung ihrer Veröffentlichungen nutzten und sich immer wieder positiv zur Ästhetik des Faschismus äußerten, wurde die gesamte Szene vor allem von linken Kritikern unter den Generalverdacht gestellt, rechtsextremistisch zu sein (was für manche Formationen sicherlich auch zutreffend war). Es ist hier nicht der Ort, diese teilweise heftig geführten Auseinandersetzungen und Diskussionen zu wiederholen, aber dass Konzerte von Bands wie Death in June, Fire & Ice oder Blood Axis zumindest in Deutschland nur noch unter konspirativen Bedingungen stattfinden können, zeigt, wie vergiftet die geistige Atmosphäre in diesem Land mittlerweile ist. Als ein letztes konstitutives Element des Neofolk sei hier noch die Idee „Europa“ genannt, die immer wieder thematisiert und reflektiert wird. Wohlgemerkt geht es hier um den Kulturraum Europa, in dem die gemeinsamen geistesgeschichtlichen Wurzeln ebenso gepflegt werden wie die regionalen Unterschiede und nicht um einen zentral regierten Moloch als einem durchstandardisierten einheitlichen Wirtschaftraum.

Im Dark Ambient, der auf einem ähnlichen geistigen Fundament ruht wie der Neofolk, steht dagegen weiterhin die elektronische Klangerzeugung im Vordergrund. Doch statt des organisierten Lärmes geht es hier um die Schöpfung mal sphärisch-harmonischer, mal bedrohlicher Klanglandschaften, zuweilen auch erweitert um orchestral-sinfonische Elemente. Eine Weiterentwicklung des Dark Ambient stellt der Military Pop dar, der dem bereits Genannten noch Marschrhythmen und martialische Trommeln hinzufügt. Dessen Vertreter setzen sich vor allem mit den Themen Krieg, Heroismus und Soldatentum auseinander, ohne dabei automatisch eine unkritische Kriegsverherrlichung zu betreiben oder gar die dunklen, leid- und schmerzerfüllten Aspekte dieses Komplexes zu übersehen.1, 2 Doch schauen wir uns nach dieser kurzen Hinführung zum Thema genauer an, wie sich die Rezeption Brekers im Post-Industrial im Einzelnen gestaltet.

Die italienische Formation Ain Soph veröffentlichte 1992 ihr Album Aurora3 und vollzog damit einen Stilwechsel: war die Gruppe bis dahin vor allem für tranceartige Ritualmusik und düstere Geräuschcollagen bekannt, wandte sie sich nun einer Mischung aus Neofolk und Rock zu und setzte diese in klassischer Liedform um. Dieser Wechsel ging einher mit der Hinwendung zu neuen Inhalten: drehten sich die früheren Schallplatten von Ain Soph vor allem um Alchemie, Ritualmagie und sonstige Spielarten des Okkultismus und dessen Protagonisten, handelt es sich bei Aurora um ein politisches Album mit deutlicher Kulturkritik. Ain Soph analysieren die Zerrissenheit des postfaschistischen Italien, das unter den polarisierenden Auswirkungen der 68er-Bewegung ebenso zu leiden hatte wie unter der durch und durch korrupten parlamentarischen Demokratie, mit der Democratia Christiana als dominierender Partei. Dem Werteverlust wollen Ain Soph eine neue Ethik entgegensetzen, die vor allem auf Ehre, Ehrlichkeit und der Wahrung von Distanz als den wesentlichen Grundlagen des Lebens basiert. Den kämpferischen Charakter des Albums kann man auch aus der äußeren Gestaltung ablesen: auf der Außenseite des Covers findet sich Arno Brekers Bereitschaft, auf der Innenseite eine Großaufnahme des Kopfes seiner Berufung. Drittes Element des graphischen Programms ist ein Porträt des Okkultisten, Malers und Philosophen Julius Evola auf der CD selber. Evola, mit denen sich Ain Soph schon auf einem früheren Album beschäftigt hatten, war der wesentliche Vertreter des sogenannten traditionalen Denkens. Er war ein radikaler Kritiker der Moderne und betrachtete Geschichte als einen Verfallsprozess, der in einem mythischen Goldenen Zeitalter begann, um im Verlauf eines stufenweisen Niedergangs in unserer Epoche, dem Eisernen Zeitalter, zu enden. Wesentlicher Bestandteil seiner Arbeit, die Evola vor allem in seinem Hauptwerk Revolte gegen die moderne Welt4 dargelegt hat, war die Rekonstruktion der Ethik des Goldenen Zeitalters, als deren Kernpunkte er u.a. den Bezug zu Transzendenz, ein sakrales Königtum und eine Kastengesellschaft nach indischem Vorbild ansah. Als Verfechter aristokratischer Werte war Evola die demokratisch verfasste Massengesellschaft zutiefst verhasst. Er selbst identifizierte sich mit den Idealen der Kshatriya, also den Angehörigen der altindischen Kriegerkaste.5 Aus der Gestaltung des Covers lässt sich die Botschaft ableiten, dass erst im Dreiklang aus Kampfbereitschaft, dem wahren Ethos und dem Handeln der Auserwählten die Morgenröte einer neuen Kultur zu erringen sei.

Die Abbildung einer Breker-Skulptur ist sich auch auf dem Cover von Le Feu Sacré6, dem im Jahr 2000 erschienenem Debütalbum des französischen Ein-Mann-Projekts Dernière Volonté zu sehen. Gezeigt wird hier der Christophorus, den Breker 1957 für die Gerling-Bauten in Köln schuf. Fälschlicherweise betitelt Geoffroy D., der kreative Kopf hinter Dernière Volonté, in einem Interview mit einem Szenemagazin7 das Relief als Heiligen Michael, was der religiösen Konzeption des Albums zwar nicht widerspricht, ihr aber doch eine andere Richtung verleiht. Ein Stück wie Der zorn gottes [sic!] etwa, das den Unmut des Schöpfers über die destruktive Natur des Menschen thematisiert, passt sicherlich besser zu dem gegen das Böse kämpfenden Erzengel, als zu der vor allem Schutz und bergende Sicherheit symbolisierenden Gestalt des Christophorus. In einem weiteren Interview äußerte sich Geoffroy D., als bekennender Katholik durchaus ein Exot innerhalb der mehrheitlich heidnisch orientierten schwarzen Szene, auch explizit zu Arno Breker:

„And the same for Arno Breker. He was a cursed artist, with an incredible talent. He was the spiritual son of Rodin. He was just in the wrong place in the wrong time. And when he realized what had happened [die Verbrechen des Nationalsozialismus, Anm. MB] it took years for him to recover. It is very important to highlight these things.“8

Im Jahr 2002 veröffentlichte der in Duisburg ansässige Verlag und Agentur Werner Symanek, kurz VAWS, das Album Breker9. In gewisser Hinsicht bildet diese Doppel-CD den Abschluss einer Trilogie, die VAWS 1996 mit Riefenstahl begonnen und 1996 mit Thorak fortgesetzt hatte. Mit diesen Kompilationen sollte den bekanntesten Künstlern des Dritten Reiches ein Denkmal gesetzt werden. Kritiker sahen darin aber vor allem den Versuch, die Post-Industrial-Szene politisch zu unterwandern, war der Verlag doch zuvor mit der Herausgabe von geschichtsrevisionistischen Büchern und Zeitschriften in Erscheinung getreten und innerhalb der rechtsextremen Szene fest verankert.10 Noch 2012 jedenfalls stufte der Verfassungsschutz NRW VAWS als rechtsextremistisch ein. Daraus sollte man aber nicht folgern, dass alle an dem Sampler beteiligten Künstler ihrerseits rechtsextremistisch sind: viele der Formationen stammen nicht aus Deutschland und es steht zu vermuten, dass ihnen nicht bekannt war, mit wem sie da zusammengearbeitet haben.
Auf Breker nun sind 21 Titel versammelt; die stilistische Bandbreite reicht von Neofolk bis Industrial, von Military Pop bis Gothic Rock. Was auf den ersten Blick in seiner Fülle beeindruckend wirkt, erweist sich bei genauerer Betrachtung allerdings als Enttäuschung. Sieht man einmal ab von Near Death Experience, Mephisto Walz, Dawn & Dusk Entwined, The Soil Bleeds Black und Belborn finden sich, gemessen an Szenemaßstäben, kaum namhafte Bands. Es entsteht der Eindruck, viele der beteiligten Projekte seien nur für diesen Sampler gegründet worden. Auch täuscht die Beteiligung von Forthcoming Fire, Von Thronstahl und The Days oft the Trumpet Call eine Bandbreite vor, die so nicht existiert. Von Thronstahl sind aus Forthcoming Fire hervorgegangen, und bei The Days of The Trumpet Call handelt es sich auch nur um den Ableger ebendieser Bands. Es darf auch nicht unerwähnt bleiben, dass Josef Klumb, Sänger und Frontmann von Forthcoming Fire und Von Thronstahl, zeitweilig bei VAWS angestellt war. Zudem ist auffällig, dass sich nur bei den wenigsten Titeln ein direkter Bezug zu Leben und Werk Arno Brekers erkennen lässt. So bezieht sich Junges Europa (Vollendung) der deutschen Neofolk-Band Belborn auf Brekers gleichnamige Skulptur aus dem Jahr 1980 und belegt einmal mehr die bereits oben angesprochene besondere Affinität der Neofolk-Szene zur Idee Europas als Kulturnation. Der schwülstig-pathetische Liedtext ist eine Beschwörung des schöpferischen Potentials Europas:


„der wille formt des werkes weg
und lässt es aufwärts streben
wenn schönheit sich unter schlägen hebt
wird es vollendung geben
junges europa gib uns deine kraft!“11



Auch Von Thronstahl ließen sich für ihren Beitrag von der Skulptur Junges Europa inspirieren. Diesem stellten sie als Ergänzung im Booklet das Gedicht Mein Lied für Europa von George Forestier zur Seite, einer Hymne auf das klassische Europa mit seinen vitalen und Identität stiftenden Kräften, die trotz der Verwüstungen des Zweiten Weltkriegs noch immer virulent und letztlich unsterblich sind: „Es kann nicht sterben, solange du es liebst.“12 Bei George Forestier, dessen erster Gedichtband Ich schreibe mein Herz in den Staub der Straßen 1952 in Deutschland erschien und sich 20.000 mal verkaufte, sollte es sich nach Angaben seines Verlags um einen aus dem Elsass stammenden Fremdenlegionär handeln, der in den Wirren des Indochina-Krieges verschwand. Erst 1955 stellte sich heraus, dass Forestier nur eine Erfindung des Düsseldorfer Verlagsprokuristen Karl Emerich Krämer war, aus dessen Feder auch sämtliche Gedichte stammten: die junge Bundesrepublik hatte ihren ersten Literaturskandal und die Adenauer-Ära in George Forestier ihren eigenen Ossian gefunden.13
Dawn & Dusk Entwined schließlich weisen in einem im Booklet abgedruckten Begleittext14 darauf hin, dass ihr Beitrag Ways to the eternal beauty speziell für diesen Sampler geschrieben wurde; inspiriert von Brekers Skulpturen Die Sinnende, Die Grazie und Du und Ich.

Im Gegensatz zu den drei zuvor besprochenen Beispielen lassen sich viele Titel auch bei größtem Wohlwollen nicht mit Arno Breker in Verbindung bringen: wie etwa wie Vlad von Gothic Sex, Dominate von The Sepia oder Sick Fragmented Moonbeem von Sala. Und bei zwei Beiträgen handelt es sich nicht einmal um Erstveröffentlichungen: Elegy von Mephisto Walz erschien bereits 1998 auf deren Album Immersion, und On a tide of Hope von Oraison wurde der CD Au commemcement entnommen, die übrigens auch aus dem Hause VAWS stammt.
Auch die inhaltliche und formale Gestaltung des Booklets wird seinem Gegenstand nicht gerecht. Bereits die kurze biographische Notiz zu Arno Breker weist zwei gravierende Fehler auf. Als Geburtsjahr nennen der oder die Autoren 1890 statt 1900, ferner wird behauptet, Breker habe nach dem Verlust seiner Ateliers im Jahr 1945 erst ab 1960 wieder als Bildhauer gearbeitet. Darüberhinaus wird die Reproduktion einer Fotomontage des polnisch-amerikanischen Künstlers Maciej Toporowicz mit folgender irreführender Bildunterschrift versehen: „Ehrenhof der Neuen Reichskanzlei in Berlin mit den beiden Skulpturen (Partei und Wehrmacht) von Arno Breker, 1939, auf einem Werbeplakat für Eternity von Calvin Klein, gestaltet von Maciej Toporowicz“4 Leider ist den Verantwortlichen bei VAWS der wahre Sachverhalt gänzlich entgangen: Tatsächlich schuf Toporowicz zu Beginn der 1990er Jahre einen Zyklus, in dem er die Schriftzüge der Parfümsorten Eternity und Obsession von Calvin Klein in Fotomontagen mit Abbildungen von NS-Bauten und Plastiken Brekers kombinierte. In kritischer Auseinandersetzung mit der seinerzeit überaus erfolgreichen Werbekampagne von Calvin Klein mit ihrer unverhohlenen Riefenstahl-Ästhetik, wollte Toporowicz durch seine Werke herausstellen, dass die Propaganda der Nationalsozialisten und die kommerzielle Calvin-Klein-Werbung sich derselben manipulativen Methoden bedienten und auf denselben ästhetischen Idealen basierten.15
Fast man die beschriebenen Ungenauigkeiten und offensichtlichen Fehler zusammen kann man das Album Breker nur als eine vermeintlich ambitionierte, größtenteils aber misslungene Veröffentlichung und ärgerliches Stückwerk betrachten.

Als letztes musikalisches Beispiel sei jetzt noch der Titel Der Verwundete (in memoriam Arno Breker) genannt. Er wurde 2005 auf dem Album ars militaria16 der deutschen Military-Pop-Formation TRIARII veröffentlicht (siehe auch das Interview mit Christian Erdmann, dem Komponisten von TRIARII im Anschluss an diesen Artikel). Das elegisch-getragene Stück evoziert eine Atmosphäre von Trauer und Schmerz, entfaltet jedoch zugleich eine ganz eigene, das Leid transzendierende Kraft. Von kriegsverherrlichendem und heroischem Pathos, der dem Military Pop von Kritikern gerne unterstellt wird, ist Der Verwundete jedenfalls weit entfernt. Vielmehr zeugt der Titel von einem besonderen Gespür für die dunklen Seiten der menschlichen Existenz. Des Weiteren legt der in Klammern gesetzte Untertitel „in Memoriam Arno Breker“ den Gedanken nahe, dass man auch in dem deutschen Bildhauer einen Verwundeten sehen kann, der in den ideologischen Kämpfen des 20. Jahrhunderts Schaden genommen hat.

Eine Breker-Rezeption der besonderen Art, die zum Abschluss noch vorgestellt werden soll, stammt von Boyd Rice, seit den 1970er Jahren eine Ikone nicht nur der amerikanischen Subkultur. Mit seinem Projekt NON ist Rice ein Pionier der Industrial- und Noise-Musik. Ferner ist er als Autor, Fotograf und bildender Künstler aktiv. Lange Jahre war er ein führendes Mitglied der Church of Satan und enger Vertrauter von deren Gründer Anton LaVey. Rice ist ein bekennender Misanthrop und machte auch aus seiner Sympathie für den Faschismus nie einen Hehl – wobei dieser schillernde Provokateur die Grenze zwischen ironisch gebrochener Koketterie und tatsächlicher Überzeugung oft nur schwer erkennen lässt. Bei aller Vorliebe zu martialischer Pose ist er aber auch ein Fan von Popsängerinnen der 1960er Jahre wie Peggy March und ein Liebhaber der Tiki-Kultur. Dass eine Gestalt wie Boyd Rice polarisiert und zahllose Kritiker anzieht darf kaum verwundern.17
Seit dem Ende 1990er Jahre widmete sich Boyd Rice der Erforschung der Blutlinie des Heiligen Grals. Seine Studien basierten auf dem Bestseller Der Heilige Gral und seine Erben18 des Autorenteams Henry Lincoln, Michael Baigent und Richard Leigh, mittlerweile ein Klassiker der parawissenschaftlichen Literatur. Das Autorenteam vertritt die These, dass Jesus die Kreuzigung überlebt hat und mit seiner späteren Frau Maria Magdalena nach Südfrankreich floh, wo sie eine Familie gründeten und so den Grundstein legten für ein genealogisches Gralskönigtum, zu deren Nachkommen u.a. auch die Könige der Merowinger gehören. Nach dem Untergang des Merowingerreiches soll dieses Geheimnis bis heute von einem mysteriösen Orden namens Prieuré de Sion im Untergrund gehütet worden sein. Zu den Großmeistern der Prieuré soll neben Leonardo da Vinci, Isaac Newton und Victor Hugo auch Jean Cocteau gehört haben. In seinem Aufsatz The Prophet 19, der Brekers gleichnamiges Cocteau-Porträt thematisiert, geht Boyd Rice der Frage nach, wie die Freundschaft zwischen Arno Breker und Jean Cocteau trotz der Verwerfungen des Zweiten Weltkrieges fast vier Jahrzehnte überdauern konnte. Als Erklärung hierfür konstruiert Rice eine heimliche Koalition zwischen der erwähnten Prieuré de Sion sowie der berühmt-berüchtigten Thule-Gesellschaft. Diese wurde gegen Ende des Ersten Weltkriegs von Rudolf von Sebottendorff gegründet und gilt gemeinhin als eine Keimzelle der NSDAP. Zu ihren Mitgliedern gehörten u.a. Rudolf Heß und Adolf Hitlers Mentor Dietrich Eckart.20 Rice vermutet nun, dass vielleicht auch Breker Mitglied der Thule-Gesellschaft gewesen sein und gibt uns so einen okkulten Grund für die enge Verbindung zwischen Cocteau und Breker (An dieser Stelle sei kurz darauf hingewiesen, dass auch der Medienkünstler und Dokumentarfilmer Lutz Dammbeck in seinem Film Zeit der Götter Arno Breker mit okkulten Vereinigungen und Theorien in Verbindung bringt.21) Um seine abstruse Theorie zu untermauern, zieht Rice Parallelen zwischen der Prieuré und den Nationalsozialisten. So verwendeten etwa beide die Swastika sowie den Totenkopf als Symbole. Diese Argumentation bedient sich typischer Methoden der parawissenschaftlich-spekulativen Literatur: historisch belegbare Fakten werden durch Vermutungen und Analogieschlüssen zusammengeführt und die Historie so neu geschrieben. Mittlerweile wurde der gesamte Komplex Prieuré de Sion als großer, zugebenermaßen gut gemachter und äußerst unterhaltsamer Schwindel entlarvt, so dass auch Rice‘ Theorie einer Cocteau-Prieuré-Breker-Thule-Connection in sich zusammenfällt. Er gibt zwar zu, dass die Existenz der Prieuré von Forschern bezweifelt wird, deutet dies gleichzeitig aber als raffinierte Strategie der Prieuré, um ihre Aktivitäten zu verschleiern.
Dass die Freundschaft zweier Künstler allen auf ihrer Bewunderung für Kultur und Ästhetik der griechischen Antike und die gleiche künstlerische Vision beruhen sollte, war für Boyd Rice wohl zu unspektakulär: Phantastereien, die viele Jahrhunderte und etliche Kulturkreise umfassen, sind wohl einfach verlockender.

Betrachtet man im Ganzen, wie Arno Breker im Post-Industrial rezipiert wird, fällt vor allem auf, dass dies auf differenzierte Art und Weise geschieht. Es sind nicht die wieder und wieder kritisierten und gegen Breker ins Feld geführten Werke (etwa Bereitschaft, Partei, Wehrmacht oder Kameraden), die das Interesse der Musiker erwecken, sondern oftmals eher unbekannte Arbeiten. Die Vielfalt an Themen und Motiven, die das Gesamtwerk Brekers kennzeichnet, spiegelt sich hier in Musik und Texten wieder. Brekers Werke werden von den vorgestellten Künstlern auch nicht dazu missbraucht, wie von Kritikern gerne unterstellt, eine Nähe zum Nationalsozialismus herzustellen. Vielmehr erkennen sie in Arno Breker einen Künstler, der sich der Darstellung der menschlichen Schönheit verschrieben hatte, und, wie sie selbst, jenseits aller Ideologien fest verwurzelt ist in der abendländischen Tradition. Bleibt zu hoffen, dass sie durch ihr Wirken einen Beitrag zur positiven Neubewertung Arno Brekers leisten.

Michael Boss


Anmerkungen



1. vgl. hierzu vertiefend: Diesel, Andreas / Gerten, Dieter: Looking for Europe. Neofolk und Hintergründe. Zeltingen-Rachtig 2005.
2. zur Kritik am Post-Industrial vgl.: Speit, Andreas (Hrsg.): Ästhetische Mobilmachung. Dark Wave, Neofolk und Industrial im Spannungsfeld rechter Ideologien. Münster 2002.
3. Ain Soph: Aurora. CD. Cthulhu Records 1993.
4. Evola, Julius: Revolte gegen die moderne Welt. Vilsbiburg 21993.
5. zu Evola s. einführend: Diesel / Gerten a.a.O., S. 468-473.
6. Dernière Volonté: Le Feu Sacré. HauRuck 2000.
7. http://qvadrivivum.blogspot.de/2014/02/derniere-volonte-interview-from.html
8. http://peek-a-boo-magazine.be/en/interviews/derniere-volonte/
9. Various Artists: Breker. Doppel-CD. VAWS 2002.
10. zur kritischen Auseinandersetzung mit VAWS vgl.: Dornbusch, Christian / Raabe, Jan / Speit, Andreas: Synergie-Effekte – Bewegungen zwischen Schwarzer Szene und braunem Spektrum. In: Speit a.a.O., S 195-230, hier S. 204-209.
11. Breker, Booklet S. 9.
12. ebda., S. 11.
13. zur Affäre Forestier vgl.: Anonym: Forestier. Hinter einer frischen Leiche. In: Der Spiegel H. 44/1955, S. 39-43.
14. Breker, Booklet S. 15.
15. http://www.maciejtoporowicz.com/obsession/info.html
16. TRIARII: ars militaria. CD. Eternal Soul Records 2005.
17. zu Boyd Rice vgl. einführend: Diesel / Gerten a.a.O., S. 192-200.
18. Lincoln, Henry / Baigent, Michael / Leigh, Richard: Der Heilige Gral und seine Erben. Ursprung und Gegenwart eines Geheimen Ordens. Sein Wissen und seine Macht. Bergisch-Gladbach 1984.
19. Boyd Rice: The Prophet. In: Dagoberts Revenge.
20. zur Thule-Gesellschaft vgl. grundlegend: Rose, Detlev: Die Thule-Gesellschaft. Tübingen 1994
21. vgl.: Dammbeck, Lutz: Herkales Konzept. Amsterdam o. J, S. 52ff.

 

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                                        Interview

 

Im Jahr 2005 veröffentlichte die Berliner Militäry-Pop-Formation TRIARII ihr Debütalbum ars militaria. Es enthält auch die Komposition Der Verwundete (in Memoriam Arno Breker), weshalb sich die Band seither immer wieder heftiger Kritik ausgesetzt sieht. Wir haben Christian Erdmann, den kreativen Kopf von TRIARII, zu seinem Verhältnis zu Leben und Werk von Arno Breker, aber auch zu seinem künstlerischen Selbstverständnis befragt.
Weitere Informationen zu TRIARII finden sich unter: www.TRIARII.de

 
Aus welchen Gründen haben Sie gerade Arno Brekers Skulptur Der Verwundete zum Ausgangspunkt eines Musikstücks genommen, und welche Stellung nimmt der Titel innerhalb des Albums „ars militaria“ ein?

Ich habe mich seit langer Zeit mit der Kunst und Architektur des Dritten Reiches beschäftigt und auseinandergesetzt. Da führt der Weg unübersehbar an Arno Breker vorbei. Ich habe im Jahre 2001 die Ausstellung Taking Positions im Georg-Kolbe-Museum in Berlin besucht, wo Der Verwundete ausgestellt war. Diese übergroße Statue strahlte in all seinem Detailreichtum eine große Erhabenheit, aber auch enorme Beklemmung auf mich aus: einerseits unnatürlich wirkende Schönheit, Potenz und makellose, kraftvolle Strenge, andererseits der Ausdruck von so viel Leid und Verzweiflung in einer einzigen Statue.
Im Rahmen dessen, habe ich mich eingehender mit Arno Breker beschäftigt und es traten diverse Widersprüche auf: Wie kann ein “Nazi-Bildhauer“ mit Jean Cocteau befreundet sein und entgegen dem damals herrschenden Kunstideal eine feste Verbindung zu Salvador Dalí führen? Was hat es mit seinem Einsatz für den Verleger Suhrkamp auf sich? Warum diese enormen Wandlungen in seinem Schaffen?
Diese Fragen und Widersprüche haben mir andere Betrachtungswinkel eröffnet und mich in eine tiefere Auseinandersetzung mit Arno Breker geführt. Ich musste feststellen, dass u.a. die Kunstepoche der 30er und 40er Jahre fast komplett von der Bildfläche verschwunden ist oder scheinbar verbannt wurde. Im Zusammenhang mit einer schrecklichen, zeitgeschichtlichen Episode wird sie oft pauschal als negativ und schlecht bewertet und beseitigt. Es gibt Architektur- und Kunstführer, in denen zwischen 1933 und 1945 eine große Lücke klafft. Dies alles warf in mir Fragen auf und hat mich stutzig werden lassen.

Mein erstes Album ars militaria aus dem Jahre 2005 bildete praktisch einen musikalischen Auftakt zur Auseinandersetzung mit Krieg und Zerstörung, zur allumfassend zerstörerischen Kraft, die der Menschheit innewohnt. Ich selbst nehme sowohl die Position der Zerstörungskraft, als auch die des Betrachters von außen ein. So grausam und schrecklich diese Thematiken auch sind, so beinhaltet auch jede Form von Destruktivität auf einer höheren Ebene zwangsläufig eine Form des Ausgleichs, eine eigene Form von Schönheit; die Elemente von Erneuerung, Neugestaltung, Neubeginn und Wandel. Und in diesem Rahmen von Bombast und Destruktivität, nimmt Der Verwundete für mich mehrere Positionen ein. Sowohl die expansive und durchaus aggressiv wirkende Größe und fast gewalttätige Monstrosität, als auch der Ausdruck von Leid und Elend, den Krieg unweigerlich für Jedermann mit sich bringt. Ich kann mir vorstellen, dass sich Arno Breker durchaus dann und wann im Innersten als eine Art “Verwundeter“ gefühlt haben könnte; in der Betrachtung seiner Person und Werke im Nachgang einer politischen Beurteilung bzw. in der Bewertung einer Kulturepoche. Der Verwundete macht den Zwiespalt auf zwischen dem reinen Kunstwerk seiner Zeit und dem Kunstwerk als Bestandteil einer Zeit, geprägt von Militarismus: “ars militaria“ - militärische Kunst.
Davon abgesehen ist Der Verwundete eine Hommage an einen Künstler, der wie ich glaube, weitaus mehr war, als ein reiner “Nazi-Bildhauer“. Dafür ist sein Schaffen auch viel zu facettenreich… Dass seine Arbeit im Dritten Reich heute durchaus kritisch zu betrachten ist und einer detaillierten Auseinandersetzung bedarf, versteht sich von selbst.

Wie bewerten Sie persönlich Leben und Werk Arno Brekers, und inwieweit beeinflusst er ihre Arbeit und ihr künstlerisches Selbstverständnis?

Mir war schon damals bei den Arbeiten an ars militaria recht schnell klar, dass ich mich mit dem Titel “Der Verwundete (In Memoriam Arno Breker)“ sehr schnell sehr unbeliebt machen würde, was mich aber dennoch nicht davon abgehalten hat diese Komposition anzufertigen und zu veröffentlichen. Da ist die künstlerische Motivation zu groß, um auf so etwas Rücksicht zu nehmen. Noch bis heute werde ich eben wegen dieser Komposition von politisch motivierter Stelle angefeindet und diffamiert. Selbstredend ohne dezidierte bzw. konstruktive Auseinandersetzung. Dass meine Kunst zu polarisieren scheint, zeigt mir, dass so Vieles nicht angeschaut und betrachtet wurde und wird; insofern gibt es mir sogar eine Form von Bestätigung und Antrieb, weiter in Wunden zu bohren und mit dem provozierenden Zeigefinger auf diese Dinge hinzuweisen und aufmerksam zu machen. Meine Person und mein Schaffen wären im Dritten Reich allemal zur “Entarteten Kunst“ degradiert worden.
Es erstaunt und verwundert mich gleichermaßen, dass sich heute politisch motivierte Menschen aus dem Bestreben heraus, Dinge wie das Dritte Reich nicht wieder geschehen zu lassen, gerade entgegen dieser Intention mit ähnlich propagandistischen Mitteln gebärden wie das System, dass sie ablehnen. Ein Faszinosum, das mich durchaus noch weiter in meinem Schaffen begleitet und seinen Ausdruck finden wird.

Das Bild des monolithischen “Nazi-Bildhauers“ war bei meiner Auseinandersetzung für mich in Teilen nicht stimmig. Wenn man sich tiefer mit Arno Breker, seinem Leben und seinem Schaffen beschäftigt, tun sich viele Widersprüche auf. Gerade diese Unstimmigkeiten machen ihn für mich so interessant. Auf der einen Seite, der Arno Breker, der sehr oft verengt betrachtet als “Nazi-Bildhauer“ einer einzigen Deutung und Interpretation zugeführt wurde und wird; auf der anderen Seite der frankophile Arno Breker, der eine enge Freundschaft mit Cocteau pflegte und sich somit auch im Dunstkreis von (nach Lesart des Dritten Reiches) anderen “entarteten Künstlern“ und ungewollten Personen bewegte und der Arno Breker, der wohl Suhrkamp unterstützte und im “Goldenen Dreieck“ eine feste Verbindung zu Salvador Dalí hatte.

Ich bin davon überzeugt, dass das augenscheinlich Sichtbare nicht eine alleinige Wahrheit beinhaltet und gerade die sich oft plump präsentierenden Dinge oftmals nur Makulatur sind, nicht die ganze Wahrheit abbilden und wesentlich tiefer gehende Aspekte in sich tragen. Dies zieht sich durch mein Leben und dies transportiere ich auch durch mein eigenes künstlerisches Schaffen.

Natürlich schaffte die sehr großzügige Unterstützung der Nationalsozialisten für Arno Breker den Raum dafür, solch aufwändige und überdimensionale Werke zu Schaffen und so expansiv zu arbeiten. Und natürlich hat sich (aus heutiger Sicht) Arno Breker mit der Wandlung seines Stils hin zu einer (direkten oder indirekten) Unterstützung eines politischen Systems durch Kunst, selbst in ein Zwielicht gerückt, dass einer Auseinandersetzung bedarf. Geld und gönnerhafte Unterstützung machen mitunter käuflich, ja. Deshalb sollte ein Künstler immer seiner inneren Schaffenskraft folgen und sich möglichst nicht von außen “deformieren“ lassen. Aber ich glaube, dass eine künstlerische Schaffenskraft (wie auch immer geartet) auf ganz anderen Ebenen erschaffen wird und stattfindet und nicht rein durch so etwas vergleichsweise kleines wie politische oder ideologische Bestrebungen erzeugt werden kann. Im Falle von Breker trafen hier gönnerhafte Unterstützung, das propagierte Kunstideal und Brekers Schönheitsvorstellung aufeinander. Eine sehr verhängnisvolle Schnittmenge, die auch mich bis heute immer wieder verzweifeln und pendeln lässt; zwischen der Schönheit der Kunst und fragwürdiger, politischer Propaganda.

Viele kennen nur Brekers Werke aus dem Dritten Reich, welche ja nur ein Teil seines Schaffens sind. So beeindruckend die Werke Brekers aus den 30er und 40er Jahren auch sind, so sehe ich durchaus, dass er sich mitunter freigiebig für die künstlerische Propaganda eines diktatorischen Regimes hat benutzen lassen; aber ob Arno Breker reine Auftragsarbeit geleistet hat und das alles nur in Stein gemeißelte Ideologie ist oder es schon immer sein innerster Wunsch war, genauso zu arbeiten - es ihm nur durch fehlende Mittel verwehrt blieb - könnte nur er selbst in Gänze aus seinem tiefsten inneren Gefühlsleben erklären. Auch nach dem Buch Im Strahlungsfeld der Ereignisse sind auch für mich nicht alle Beweggründe und Intentionen vollends klar. Aber das muss es auch nicht, denn Kunst unterliegt nur sich selbst und sollte nicht im Sinne eines pädagogischen Auftrages erklärt werden. Sie sollte im besten Falle für sich sprechen oder zu einem Austausch und einer Auseinandersetzung mit sich selbst und anderen führen.

Natürlich gibt dies einen großen Raum für (Fehl-)Interpretationen, aber Kunst in einer vorgedachten, leicht-verdaulichen und interpretationsfertigen Version darzustellen, würde doch auf Dauer “Einheitskunst“ produzieren, die keinerlei Freiraum mehr für eigene Sichtweisen und Interpretationen des Individuums zulässt.
Ich glaube, dass gerade diese extrem dünne Vermischung auf der Grenzlinie zwischen Brekers Werken und der ideologischen Nutzung den heutigen Zugang zu Arno Breker so sehr erschwert. Doch ihn wegen eines durchaus zu hinterfragenden, aber vergleichsweise kleinen Teil seines Schaffens vollends zu einer “Persona non grata“ zu erklären und aus der Kunstgeschichte eliminieren zu wollen, halte ich für unzulässig.

Aus der heutigen Betrachtung heraus, halte ich viele Einschätzungen und Betrachtungen für zu einfach. Wir können aus einer sehr bequemen und vergleichsweise friedlichen Position und wirtschaftlicher Übersättigung heraus ein sorgloses und mitunter sehr selbstgefälliges Urteil über Vorgänge, Menschen und Dinge aus vergangenen Zeiten fällen. Ich glaube, wir können uns heute nicht mal im Ansatz die inneren Abläufe, beherrschenden Umstände, Gefühle und Notwendigkeiten vieler Menschen von damals vorstellen. Mir sind Aussagen wie “Das hätte ich nicht mitgemacht“ oder “Da wäre ich dagegen gewesen“ zu einfach. Wenn ich mir vorstelle, dass jemand in Repression, Hunger und Not eine mehrköpfige Familie am Leben halten will und sowohl wirtschaftliche als auch politische Zwänge mich in einen Schraubstock aus Heimatverbindung, Not, Heilsversprechungen und mitunter der Aussicht auf Tod pressen, dann weiß ich nicht, wie ich agieren würde. Wenn ein Künstler die Wahl hat, sich selbst zu verwirklichen und sorgenfreier zu leben; oder Gefahr läuft, abgewertet, degradiert oder ins Exil gedrängt zu werden (oder im extremsten Fall Gefahr läuft, getötet zu werden)… Wofür entscheidet er/sie sich? Aus heutiger Sicht und einem Gefühl von Sicherheit heraus ganz klar für Letzteres. Aber ich glaube, dass dies gerade in der damaligen Zeit, wo andere gesellschaftliche Normen herrschten und andere Weltbilder und Umstände prägend waren, so einfach nicht zu beantworten gewesen wäre.

Kunst braucht Freiraum. Es ist für mich dabei unerheblich, welche Form oder Richtung sie einnimmt und wie sie sich darstellt. Sie muss bei mir nicht zwangsläufig Gefallen finden; es steht mir ja frei, mich ihr nicht auszusetzen. Aber ich muss sie als Kunst stehen lassen können, ohne mich berufen zu fühlen, sie zu beschneiden und mich somit selbst zum Richter zu erheben und anderen das Denken abzunehmen. Ohne solch liberale Grundeinstellungen würden wir sehr schnell wieder zurückgeführt in diktatorische und unfreie Strukturen.

Kunst ist sehr subjektiv und ob sie den Menschen gefällt oder nicht, muss und darf jeder für sich selbst entscheiden. Ob es gefällt oder nicht, die Kunstepoche der 30er und 40er Jahre hat stattgefunden. Sie ist und bleibt Teil der Geschichte. Sie muss nicht gefallen, aber man kann und sollte sie nicht durch eine falsch verstandene “political correctness“ verteufeln, vermeintlich ungeschehen machen wollen oder Dritten den Zugang dazu verwehren, sondern sollte sie einer dezidierten und konstruktiven Auseinandersetzung zuführen; ja manchmal sogar notwendigerweise ans Licht zerren. Manche Vorgänge, wie z.B. im Vorfeld zur Arno Breker Ausstellung in Schwerin im Jahre 2006, sind für mich nur schwer nachvollziehbar und ernten mein Unverständnis. Ich halte es für unabdingbar, sich seiner Geschichte und seinen offenen Wunden zu stellen… auch wenn es noch so schmerzt. Genauso wie ich es für unzureichend erachte, gedanklich ausschließlich in schwarz und weiß zu malen.

Es ist sehr schwierig, Kunst und Politik getrennt voneinander zu betrachten; aber es gar nicht erst zu versuchen oder es Dritten zu verwehren, sich selbst oder anderen einen Zugang zu verschaffen, halte ich für fatal. Dann schwelt die Auseinandersetzung unter einem Deckmantel und wird nie “zu Ende“ gebracht, wenn man überhaupt von einem “Ende“ im Sinne eines zufriedenstellenden Abschlusses sprechen kann. Natürlich können Versuche misslingen, natürlich ist es immer eine extreme Gratwanderung. Aber das macht ja eine Auseinandersetzung auf künstlerischer Ebene aus… aus Ermangelung an Mitteln zum Begreifen, wird die Auseinandersetzung auf einer anderen Ebene gesucht. Stets gesucht; aber ich glaube selten in Gänze gefunden.

Gibt es noch andere bildende Künstler, von denen Sie sich inspirieren lassen?

Ich persönliche setzte mich viel mit Kunst und Kultur aus verschiedensten Epochen auseinander. Gerade in der Auseinandersetzung mit der Kunst im Dritten Reich haben mich viele Künstler in meiner Betrachtung gestreift. Selbstverständlich Thorak, Kolbe, Bronisch, Riefenstahl, die megalomanischen Bauten von Speer und Troost, aber auch das sozialistische Spiegelbild dessen von Wutschetitsch, Tomski und Iofan. Zum größten Teil viel aus dem Bereich Architektur. Inspiriert in der Form, dass ich mich auf musikalischer Ebene mit ihnen auseinandersetzen möchte oder muss, haben sie nicht. Da war und ist Arno Breker im Vergleich mit seinem Facettenreichtum und den benannten Widersprüchen bisher einer der für mich interessantesten Künstler seiner Zeit. Mit Sicherheit haben mich aber viele Künstler und Architekten beeindruckt und allenfalls teile ich mit ihnen das Streben nach Größe und künstlerischer Perfektion. Gleichwohl bin ich aber auch Künstlern wie Gaudí und Mucha, sowie Koloman, Hoffmann und Moser aus der Wiener Werkstätte zugetan. Ebenso dem Art Déco oder Bauhaus. Es gibt so viele verschiedene Stilrichtungen und Epochen, die durchaus des Merkens würdig sind.

 

Könnten Sie sich vorstellen, in der Zukunft weitere Titel oder gar ein ganzes Album mit einem Bezug zu Breker zu entwickeln?

Davon abgesehen, dass sich mittlerweile schon sehr viele Künstler aus dem Industrial-Bereich an Arno Breker (mal mit mehr, mal mit weniger zweifelhafter Intention) abgearbeitet haben, wäre ein komplettes Album mit Vertonungen diverser Werke für mich uninteressant. Vereinzelte Werke, in Bezug gesetzt zu meinen übrigen Kompositionen und Thematiken eines Albums, wären wahrscheinlicher. Natürlich ist es durchaus reizvoll für mich, das Leben von Arno Breker musikalisch zu intonieren; aber ich denke dass sowohl die Mannigfaltigkeit & Diversität seines Schaffens, als auch die Fülle seiner verschiedensten Lebenssituationen und Stationen den Rahmen sprengen würde. Der Spannungsbogen wäre zu groß für ein einziges Album und würde weder der Person, noch dem Werk von Arno Breker in Gänze gerecht werden.

Was ich mir durchaus vorstellen kann, wäre eine Auftragsarbeit im Rahmen einer Ausstellung seiner Werke. Quasi ein begleitender Soundtrack bzw. eine akustische Untermalung aus einem weiteren kunstschaffenden Bereich; als Mittel oder Versuch der Komplettierung bzw. Bereicherung und Ergänzung, um einen weiteren Zugang zum Werk zu schaffen.

Als kompositorische Arbeit steht seit Jahren immer noch “Das Goldene Dreieck“ auf meiner Agenda. Mich reizt sowohl die Verbindung, als auch das Spannungsfeld zwischen Dalí, Breker & Fuchs. Aber ob und wann dies zur Verwirklichung kommt, steht noch nicht fest.

Herr Erdmann, vielen Dank für die Beantwortung unserer Fragen und alles Gute für Ihre weitere Arbeit!

Fragen: Michael Boss; das Interview wurde per E-Mail geführt.

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DAS LETZTE WORT

 

O Bellarmin! Wo ein Volk das Schöne liebt, wo es den Genius in seinen Künstlern ehrt, da weht, wie Lebensluft, ein allgemeiner Geist, da öffnet sich der scheue Sinn, der Eigendünkel schmilzt, und fromm und groß sind alle Herzen und Helden gebiert die Begeisterung. Die Heimat aller Menschen ist bei solchem Volk’ und gerne mag der Fremde sich verweilen. Wo aber so beleidigt wird die göttliche Natur und ihre Künstler, ach! da ist des Lebens beste Lust hinweg, und jeder andre Stern ist besser, denn die Erde. Wüster immer, öder werden da die Menschen, die doch alle schöngeboren sind; der Knechtsinn wächst, mit ihm der grobe Mut, der Rausch wächst mit den Sorgen,
und mit der Üppigkeit der Hunger und die Nahrungsangst;
zum Fluche wird der Segen jedes Jahrs und alle Götter fliehen.


- Hölderlin, Hyperion -

 

Impresssum:
Herausgeber: Arno-Breker-Gesellschaft Düsseldorf e.V., Hinterfeld 42c, 45564 Kaarst.
Verantwortlicher Redakteur: Michael Boss
Internet: www.arno-breker.info E-mail: arno-breker-ges@gmx.de

 



 

MITTEILUNGEN


DER ARNO-BREKER-GESELLSCHAFT DÜSSELDORF

    Nr.6                                                          Frühjahr 2014


                        
Das Jahr 2014 beginnen wir mit einer etwas kürzeren Ausgabe der Mitteilungen unserer Arno-Breker-Gesellschaft Düsseldorf. Diesen Umstand verbinden wir mit der herzlichen Einladung an alle Leserinnen und Leser, uns mit eigenen Beiträgen bei der Gestaltung dieses Rundbriefs zu unterstützen. Willkommen sind Werkbetrachtungen, Einzelinterpretationen, Rezensionen oder auch Erinnerungen an persönliche Begegnungen mit Arno Breker.
Nun wünschen wir Ihnen eine anregende Lektüre und angenehme Frühlingsmonate nach einem Winter, der so gar kein Winter war.

Heiner E. Frisch                                  Michael Boss
(Vorsitzender)                                    (Redakteur)

 

 

Ausstellungstipp

Charles Despiau in Bremen

Noch bis zum 1. Juni 2014 zeigt das Gerhard-Marcks-Haus Bremen die Ausstellung Charles Despiau – Ungeliebter Bildhauer. Die in Zusammenarbeit mit dem Museum Beelden aan Zee in Den Haag entwickelte Schau präsentiert 45 Skulpturen und 20 Zeichnungen, die aus Sammlungen in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden stammen. Dank der repräsentativen Auswahl der Exponate wird es möglich, den Entwicklungsweg des französischen Bildhauers zu verfolgen. Ein besonderes Anliegen der Ausstellungsmacher ist es, dem Besucher das Studium der besonderen Arbeitsweise Despiaus zu ermöglichen und die Methoden offenzulegen, mit denen er es virtuos verstand, die Wirkung seiner Arbeiten im Raum zu steigern.
Begleitend zur Ausstellung ist ein reich bebilderter, zweisprachiger Katalog (Deutsch und Englisch) erschienen. In mehreren Aufsätzen werden Leben und Werk von Despiau beschrieben, eingeordnet und bewertet. Zunächst zeichnet die Kunsthistorikerin Elisabeth Lebon in einer biographischen Skizze den Lebensweg des Bildhauers nach. Am 04. November 1874 im südwestfranzösischen Mont-de-Marsan als Sohn eines Stukkateurs geboren, studiert Despiau von 1892 bis 1901 an den Pariser Hochschulen Ecole de Arts Décoratifs und Ecole des Beaux Arts. Mit ersten eigenständigen Arbeiten erweckt er das Interesse von Auguste Rodin und ist von 1907 bis zu dessen Tod 1917 als sein Assistent tätig. Den Krieg verbringt Despiau in einer Tarneinheit, wo er mit dem Bau von Attrappen beschäftigt ist, die zur Täuschung des Feindes dienen sollen. In den 1920er Jahren nimmt Despiaus Karriere rasch Fahrt auf: er avanciert zu einem der bedeutendsten Bildhauer Frankreichs und macht sich vor allem als Porträtist einen Namen.
In den Jahren des Erfolgs bildet Despiau etliche Schüler aus, darunter auch
Arno Breker.

Charles Despiau blieb Arno Breker auch während der Besatzungszeit verbunden, ja er gibt sogar im Jahre 1942 einen Bildband mit Werken Arno Brekers heraus. Deshalb gilt er nach der Befreiung Frankreichs im August 1944 als Kollaborateur und fällt in Ungnade. Verfemt und gebrochen stirbt Despiau am 28. Oktober 1946. Zwei weitere Katalogtexte beleuchten Despiaus Verhältnis zur Moderne: während Arie Hartog, der Direktor des Gerhard-Marcks-Hauses, auf den paradoxen Charakter der Arbeiten Despiaus hinweist, die sich im Spannungsfeld zwischen klassischer Tradition und moderner Formensprache bewegen, streicht Elisabeth Lebon den überzeitlichen Charakter des Despiau’schen Werkes heraus, das auf der Suche nach Schönheit alle Zeitalter überwindet. Ebenfalls von Elisabeth Lebon stammt eine exemplarische Analyse von Despiaus 1925 entstandener Skulptur Eve, und Judith van Beukering untersucht Despiaus Beziehung zu Deutschland.
Das Verhältnis von Charles Despiau und Arno Breker behandeln die Autorinnen und Autoren eher marginal, und wo der deutsche Bildhauer erwähnt wird, geschieht dies auf wenig schmeichelhafte Weise: Breker erscheint als der böse Geist, der seinen französischen Lehrer in die Kollaboration und damit ins Verderben getrieben hat. Die Unterstützung, die Breker seinem Ausbilder und Freund Charles Despiau u.a. in Form von Brennmaterial zum Heizen seines Ateliers hat zukommen lassen, wird zu einem durchtriebenen Akt, mit dem der Jüngere den Älteren aus politischer Berechnung an sich binden wollte. Es ist das alte Lied: egal, was Breker in seinem Leben getan hat, es wird auch Jahrzehnte später noch gegen ihn verwendet.

Aber dessen ungeachtet:
Die Ausstellung im Gerhard-Marcks-Haus rechtfertigt eine Reise nach Bremen, und auch der Katalog ist eine ebenso lesens- wie vor allem ansehenswerte Anschaffung.
Michael Boss
Info: Charles Despiau – Ungeliebter Bildhauer. Gerhard-Marcks-Haus Bremen, bis 01.Juni 2014. www.marcks.de

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Fundstück


Arno Breker als Illustrator


Regelmäßig suche ich im Zentralverzeichnis antiquarischer Bücher (www.zvab.com) nach Artikeln von oder zu Arno Breker. Im Herbst letzten Jahres stieß ich dabei im Sortiment eines belgischen Antiquars auf den mir bis dahin völlig unbekannten Gedichtband Carmina Equestra des flämischen Dichters Lambert Jageneau, illustriert mit acht Lithographien von Arno Breker. Die erste Auflage des gerade mal vierzig Seiten umfassenden Buchs erschien 1980 in 505 nummerierten Exemplaren. Die kalligraphische Gestaltung des Textes stammt von der Ex-Libris-Zeichnerin Joke van den Brandt. Jedes Exemplar ist von den drei Beteiligten handsigniert. Glaubt man dem Vorwort des Verfassers, stieß er in einem Antiquariat in Nantes, in dem er vor einem Wolkenbruch Schutz gesucht hatte, in der Abteilung Alchemie auf das um 1430 entstandene schmale Werk eines gewissen „G. R.“. Zwar war der Text, der aus 34 Vierzeilern bestand, nicht mehr lesbar, aber die Illustrationen – Frauen und diverse Fabelwesen – verwiesen mit ihrer speziellen Symbolik auf einen alchemistisch-hermetischen Inhalt der Verse und erschienen Jageneau bedeutend genug, um den Versuch einer Nachdichtung in modernem Niederländisch zu wagen.

Die von Arno Breker geschaffenen Lithographien, vier davon koloriert, zeigen sieben weibliche und einen männlichen Akt. Laut Auskunft von Frau Dr. Carola Breker existiert kein Briefwechsel zwischen ihrem Vater und Lambert Jageneau. Allerdings sei der Dichter Ende der 1970er Jahre mehrfach zu Besuchen in Düsseldorf gewesen, um die gemeinsame Publikation vorzubereiten. Überhaupt finden sich nur recht spärliche Informationen zu Lambert Jageneau: er lebte von 1925 bis 1984 und muss eine äußerst schillernde Erscheinung gewesen sein mit einem Hang zur Selbstmystifizierung, verbunden mit der Neigung, es mit Angaben zu seiner eigenen Biographie nicht allzu genau zu nehmen. Zudem war er wohl auch ein virtuoser Meister der Selbstinszenierung. Im Hauptberuf für den belgischen Rundfunk tätig, galt Jageneau als großer Kunstkenner, Experte für chinesisches Porzellan und Antiquitäten, zudem verfügte er über profunde Kenntnisse in Geschichte und Literatur. Rund zehn Jahre nach der Zusammenarbeit mit Lambert Jageneau illustrierte Arno Breker ein weiteres Buch, den Gedichtband Tage der Götter von Rolf Schilling und war damit an der Entstehung eines weiteren bibliophilen Kleinods beteiligt. Breker konnte das Erscheinen des Buchs nicht mehr erleben, und in gewisser Hinsicht bildet dieses Projekt den Schlusspunkt seines gesamten Schaffens. Dies ist insofern von Bedeutung als es unterstreicht, welchen Stellenwert die Literatur und der persönliche Umgang mit Schriftstellern für Breker und seine Arbeit besaß. In diesen Kontext gehören nicht nur die Freundschaften zu Jean Cocteau oder Roger Peyrefitte, sondern auch die Spuren, die Dichtung und Dichter im Breker’schen Werk hinterlassen haben: Hierzu zählen die graphischen Arbeiten zu Sappho oder Yukio Mishima ebenso wie die Porträts von Gerhard Hauptmann, Ezra Pound und Ernst Jünger. Diesen Zusammenhängen nachzugehen wird eine der zukünftigen Aufgaben der Brekerforschung sein.

Michael Boss
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DAS LETZTE WORT

Wir haben die Schönheit verbannt, die Griechen griffen für sie zu den Waffen. Ein erster, doch grundlegender Unterschied. Für das griechische Denken war stets die Begrenzungsidee vorherrschend. Es hat nichts auf die Spitze getrieben, weder das Heilige noch die Vernunft, weil es nie etwas verleugnete, weder das Heilige noch die Vernunft. Es hat alles einbezogen, den Schatten durch das Licht ins Gleichgewicht bringend. Unser Europa hingegen, das sich berufen fühlt, alles zu erobern, ist die Tochter der Unmäßigkeit. Es leugnet die Schönheit, wie es alles leugnet, was es nicht anbetet. Und es betet, sei es auch auf verschiedene Weise, ein Einziges an: den zukünftigen Sieg der Vernunft. In seinem Wahn versetzt es die ewigen Grenzen, und in diesem Augenblick stürzen sich düstere Erinnyen darauf und zerreißen es. Nemesis wacht, die Göttin des Maßes, nicht der Rache.

Alle, die die Grenzen überschreiten, werden von ihr unerbittlich gestraft.

- Albert Camus, Helenas Exil -

 

 

Impresssum:
Herausgeber: Arno-Breker-Gesellschaft Düsseldorf e.V.(gemeinnützig)
Hinterfeld 42c, 41564 Kaarst.
Verantwortlicher Redakteur: Michael Boss
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(Spenden-) Konto bei der Sparkasse Neuss; IBAN: DE55 3055 0000 0093 4434 22

 



 

 

MITTEILUNGEN


DER ARNO-BREKER-GESELLSCHAFT DÜSSELDORF

                        Nr. 5                                                            Herbst 2013

 

Langsam neigt sich das Jahr 2013 seinem Ende entgegen. Zwei Ereignisse der vergangenen Monate waren für Brekerfreunde besonders bedeutsam: zum einen die Präsentation von Breker-Skulpturen im Herforder Museum MARTa, zum anderen das Erscheinen des von Rainer Hackel herausgegeben Bandes Im Irrlicht. Arno Breker und seine Skulpturen. Leider fanden weder Ausstellung noch Buch im deutschen Feuilleton ein nennenswertes Echo und wurden mehr oder weniger totgeschwiegen. Dies zeigt einmal mehr, dass in Sachen Breker vom etablierten Kulturbetrieb nichts zu erwarten ist und ein Werben für das Werk Arno Brekers sich auch weiterhin vor allem im Kleinen vollziehen muss, abseits der breiten Öffentlichkeit. Aber seien wir zuversichtlich: wer zu Breker finden will, schafft das auch ohne staatlich subventionierte Museen oder den Mainstream-Journalismus.
Am 11. Oktober dieses Jahres jährte sich der 50. Todestag von Jean Cocteau. Aus diesem Grund beleuchten wir in einer kleinen Betrachtung die Freundschaft zwischen Cocteau und Arno Breker, die fast fünf Jahrzehnte überdauerte.
Nun bleibt uns nur noch, Ihnen und Ihren Familien eine besinnliche Adventszeit, frohe Weihnachten und alles Gute für 2014 zu wünschen.


Heiner E. Frisch                                                                                   Michael Boss
(Vorsitzender)                                                                                      (Redakteur)

 

 

AUS DER ARNO-BREKER-GESELLSCHAFT

Besuch im Skulpturenpark ARNO BREKER in Düsseldorf

Auf Anregung unseres Mitglieds Dr. Gert Mannes versammelten sich am 28. September 2013 rund 60 Mitglieder Düsseldorfer Akademikerverbände mit Ihren Damen in Düsseldorf, um bei strahlendem Herbstwetter den Skulpturenpark ARNO BREKER näher kennen zu lernen.
Empfangen wurden wir vom Sohn des Bildhauers, Gerhart Breker, der uns in einem zweistündigen Rundgang durch den wunderschönen, baumreichen Park vielfältige Facetten des – auch technischen – Entstehungsprozesses der zahlreichen ausgestellten Werke kenntnisreich vermittelte.

Zu sehen sind dabei Arbeiten aus allen Schaffensperioden Arno Brekers: Da ist beispielsweise zum einen ein stehender Frauenakt aus Gussmarmor, den der erst 22-Jährige schuf, und zum anderen das Mädchen mit Tuch, das Arno Breker in seinem 81. Lebensjahr eindrucksvoll kreiert hat und das als bronzene Großplastik gleich zu Beginn des Rundgangs die Blicke auf sich lenkt.

Die übergroße Anzahl der präsentierten Werke verbietet es, auf alle einzugehen. Und jeder Besucher war unterschiedlich beeindruckt von diesem oder jenem Werk: Etwa vom ausdruckstarken Prophet Matthäus, der seit 1931 auch die Fassade der Düsseldorfer Matthäuskirche schmückt oder von Alexander der Große, der 1981 entstanden ist.
Aus der Zeit des Dritten Reiches sind nicht nur die vielzitierten Großplastiken Der Wäger (1938) Der Wager (1939), sowie Prometheus zu sehen, sondern auch so anrührende Skulpturen wie Der Verwundete (1937-40) und Reliefs wie Apoll und Dahne (1940) oder Du und Ich (1944).

Für mich überraschend - auf Grund der persönlichen Situation des Künstlers in den frühen fünfziger Jahren aber verständlich - zeigen die Figuren jener Jahre einen gänzlich andersartigen Stil: Entgegen vorheriger und auch nachheriger Betonung des Kräftigen und Schönen des menschlichen Körpers, zeugen diese überschlanken Skulpturen nach meinem Eindruck von Entbehrung und Not, z.B. Stehende mit erhoben Armen oder die Zwei Schwestern, 1954.

Zum Abschluß des Parkrundganges konnten wir noch zahlreiche Sportler-Darstellungen bewundern – u.a. Jürgen Hingsen (1984) - sowie die Büsten des Altkanzlers Dr. Konrad Adenauer und des Surrealisten Salvadore Dali, welche ganz besonders attraktiv und ausdrucksstark gelungen sind.

Im ehemaligen Atelier von Arno Breker gab uns seine Tochter, Frau Dr. Carola Breker, Gelegenheit, zahlreiche Zeichnungen und weitere Kleinplastiken kennen zu lernen und zu bewundern.

Für alle Beteiligten waren die Stunden mit den interessanten und sehr kompetenten Erläuterungen viel zu rasch vergangen:
Sie waren eine Bereicherung für die Besucher, die nun ihrerseits im wörtlichen Sinne ein eigenes Bild vom Künstler ARNO BREKER haben und dies den stereotypen negativen Urteilen des Mainstreams entgegensetzen können.

Heiner E. Frisch

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Essay


Arno Breker und Jean Cocteau:
Erinnerung an eine Künstlerfreundschaft


Vor 50 Jahren, am 11. Oktober 1963, starb der Dichter, Dramatiker, Romancier, Filmemacher und Maler Jean Cocteau an den Folgen eines Herzinfarkts. Während die europäische Kunstszene einen ihrer schillerndsten Protagonisten verlor, verlor Arno Breker einen seiner ältesten und verlässlichsten Freunde. Die Freundschaft zwischen den beiden Ausnahmekünstlern begann 1926 während Brekers erstem Aufenthalt in Paris, und da Breker in den folgenden Jahren in der französischen Hauptstadt lebte und arbeitete, hatten die beiden Männer ausreichend Gelegenheit, ihre Beziehung zu vertiefen.
Anlässlich der Eröffnung von Brekers großer Ausstellung in der Pariser Orangerie im Mai 1942 sollte zunächst Cocteau die Begrüßungsrede halten, wurde aber kurzfristig durch den damaligen französischen Kultusminister Abel Bonnard ersetzt. Cocteau war dennoch bei der Vernissage anwesend, stand Brekers Arbeiten aber anfangs reserviert gegenüber. So schrieb er in sein Tagebuch: „Das Drama ist seine Bildhauerei. Sie scheint mittelmäßig zu sein.“1 Erst nachdem ihn Breker persönlich durch die Ausstellung geführt hatte, änderte Cocteau seine Meinung. Er begann, die hohen handwerklichen Fähigkeiten seines Freundes zu bewundern und notierte zu Brekers Skulpturen: „Man müsste sie im Freien ausstellen, im Schatten, in der Sonne.“2
Ganz unter dem Eindruck der Ausstellung stehend, verfasste Cocteau einen Salut an Breker, einen kryptischen, zutiefst poetischen Text, der den Rahmen gängiger Grußworte sprengt:
„Ich grüße Sie, Breker. Ich grüße Sie aus dem hohen Land der Dichter, jenem Land, in dem die Vaterländer nicht existieren, es sei denn insofern jeder den Schatz der nationalen Arbeit einbringt.
Ich grüße Sie, weil Sie den tausend Reliefs, aus denen sich die Größe eines Baums zusammensetzt, wieder zur Geltung verhelfen.
Weil sie Ihre Modelle wie Bäume betrachten und, weit davon entfernt, den Volumina zu opfern, Ihre Bronze- und Gipsfiguren mit einem feinen Lebenssaft versehen, der den Achillesschild ihrer Knie bedrängt, der das Flußsystem ihrer Adern zum Schlagen bringt, der das Geißblatt ihrer Haare kräuselt.
Weil Sie eine neue Falle erfinden, in der sich der Ästhetizismus, Feind der Rätsel, fangen läßt.
Weil Sie den geheimnisvollen Statuen unserer öffentlichen Gärten ihr Lebensrecht zurückerstatten.
Weil ich mir vorstelle, wie ihre Gestalten in einer Frühlingsnacht im Schein des Mondes, der die wahre Sonne der Statuen ist, an der Place de la Concorde ankommen, mit dem schrecklichen Schritt der Venus von Ille.
Weil die große Hand des David von Michelangelo Ihnen den Weg gewiesen hat.
Weil Sie zu mir, in dem hohen Land, in dem wir Landsleute sind, von Frankreich sprechen.“3
In diesem an ein Gebet oder eine Litanei erinnernden Text beschwört Cocteau zunächst das übernationale und alle Zeiten transzendierende Reich der Poesie, in dem sich die irdischen und menschlich-allzumenschlichen Grenzen und Feindschaften auflösen und in dem er ebenso zu Hause ist wie Breker. Des Weiteren reiht Cocteau Breker ein in die Tradition der klassischen Bildhauerei, die von der Antike („ Achillesschild“) über die Renaissance („Hand des David von Michelangelo“) bis in die Gegenwart reicht, in der sie eine weitere Blüte erlebt. Vor diesem Hintergrund können dann auch die alten „Statuen unserer öffentlichen Gärten“ wieder mit neuen Augen gesehen werden. Geradezu surreal mutet Cocteaus Vision der Breker’schen Figuren an, „die in einer Frühlingsnacht […] an der Place de la Concorde ankommen“. Zum einen deutet dieses Bild, das von einer befremdlichen Schönheit ist, etwas von der gewaltsamen Wucht an, mit der die Arbeiten Brekers den Betrachter überwältigen. Unterstrichen wird dieser düstere Aspekt noch durch den Hinweis auf die „Venus von Ille“, bei der es sich um eine Novelle von Prosper Mérimée handelt, in der eine zum Leben erwachte Venusstatue ihren vermeintlichen Liebhaber erdrückt. Zum anderen findet sich hier aber auch etwas von der geheimnisvollen Atmosphäre wieder, die vielen Filmen Cocteaus ihren besonderen Zauber verleiht. Im Ganzen betrachtet lässt sich aus dieser Passage die ambivalente Haltung ablesen, die Cocteau dem Werk Brekers entgegenbringt. Der Salut an Breker brachte Cocteau nach der Befreiung Frankreichs in den Verdacht der Kollaboration, und neben einer großen Portion Glück verdankte er es vor allem seiner Beredsamkeit, dass er seine Freundschaft mit Breker nicht mit dem Leben bezahlen musste.
Auch nach dem Zweiten Weltkrieg pflegten Breker und Cocteau ihren engen Kontakt. So bestand Cocteau 1952 anlässlich eines Aufenthalts in Düsseldorf, wo eine Neuinszenierung seines Bacchus aufgeführt wurde, darauf, auch Arno Breker und seine Frau Minima zu besuchen, sehr zum Verdruss der örtlichen Offiziellen. Im Sommer 1963 begann Breker mit der Arbeit an einer Büste von Cocteau, wofür dieser in seinem Haus in Milly-la-Forêt bis kurz vor seinem Tod mehrfach Modell saß. Das von Breker geschaffene Bildnis unterscheidet sich deutlich von den zahllosen anderen Porträts Cocteaus, die u.a. von Picasso, Man Ray und Andy Warhol stammen: so fehlt ihr die charakteristische Künstlermähne ebenso wie jegliche gekünstelte Pose. Stattdessen hat Breker die Enttäuschung eingefangen, die Cocteau in seinen letzten Lebensjahren prägte und die vor allem durch die geringe öffentliche Anerkennung seines Gesamtwerks ausgelöst worden war: etliche Kritiker sahen in Cocteau schlicht einen zweitklassigen Künstler, der der Avantgarde immer nur hinterhergelaufen ist, ohne sie wirklich einholen zu können. Den Mund umspielt ein Zug unbestimmter Traurigkeit, worin man eine Ahnung des nahenden Todes sehen kann, aber auch die Besorgnis um eine Welt, in der die Krise zum Dauerzustand geworden ist. Dies korrespondiert mit einer Äußerung Cocteaus, die Breker in seinen Memoiren dokumentiert hat: „Wir müssen […] der furchtbaren Tendenz des Zerstörens und Zerbrechens aller Dinge in unserer Epoche Einhalt gebieten, um ein neues, positives Verhältnis zum Universum, zur Schöpfung zu finden. Ich sehe hier neue Ansätze für meine künftige Arbeit.“4
Seine ganz eigene Sicht auf Cocteau hat Breker auch in der Kleinplastik Der Prophet aufgegriffen. Sie zeigt Cocteau als ausgemergelten Asketen einen abschüssigen Weg hinuntergehend, barfüßig, gehüllt in ein Gewand, das entfernt an eine Mönchskutte oder ein Büßerhemd erinnert. Der Titel weckt Assoziationen an den Weisen oder Einsiedler, der seine weltabgewandte Einsamkeit aufgibt, um den Menschen seine Wahrheit zu verkünden, wohl wissend, dass er möglicherweise kein Gehör finden wird. Unwillkürlich fallen einem hier Nietzsches Zarathustra ein, aber auch die ‚barfüßigen Propheten‘ aus dem Umfeld der Lebensreformbewegung finden hier ein Echo. Besonders auffällig ist die markante Gestaltung der Hände: der ausgestreckten Zeigefinger will belehren, die Wirkung der eigenen Worte untermauern, einen Weg weisen. Breker selbst hat Cocteaus Hände nahezu hymnisch beschrieben: „Cocteaus Bild wäre unvollkommen ohne die Erwähnung seiner langen, schmalen, nervigen Hände, die trotz ihrer Zartheit robust männlich erschienen. Die Finger waren ständig in Bewegung, unterstreichend, beschwörend, donnernd oder begütigend, als wären sie ein Taktstock seines Geistes.“5 Mit Worten wiederholt Breker hier, was er Jahre zuvor bereits in Bronze ausgedrückt hatte.
Ikonographisch erinnert Der Prophet an die 1934/35 entstandene Großskulptur Prometheus. Diese Figur schreitet kraftvoll und entschlossen einen Felsen hinab, in der Hand die Fackel mit dem Feuer, das der Titan den Göttern geraubt hat, um es den Menschen zu bringen und so den Grundstein aller Zivilisation zu legen. Beim Propheten hingegen sind die Schritte vorsichtig und verhalten, hier tritt der Mahner auf, der vor der möglichen Selbstzerstörung der Zivilisation warnt.
Weggefährten und Biographen haben vielfach darüber spekuliert, auf welcher Basis die Freundschaft zwischen Cocteau und Breker beruhte. Mancher, etwa Cocteaus langjähriger Lebensgefährte Jean Marais, vermutete gar eine Liebesaffäre zwischen den beiden. Jenseits aller Vermutungen waren Cocteau und Breker aber vor allem Geistesverwandte. Wie Cocteau von der deutschen war Breker von der französischen Kultur beeinflusst, sie teilten die Überzeugung von der Notwendigkeit eines geistigen Austauschs zwischen ihren Heimatländern, nicht nur zum Wohle der zwei Nationen, sondern des gesamten europäischen Kontinents. Im Bereich der Kunst nahmen Cocteau und Breker das vorweg, was Charles de Gaulle und Konrad Adenauer Jahre später in der Politik praktizieren sollten. Darüber hinaus waren beide tief verwurzelt in der Tradition der klassischen Antike mit ihrem reichen Überlieferungsschatz: Sie schöpften ihre Themen aus der griechischen Mythologie, machten sich deren Stoffe zu eigen, strebten dem antiken Schönheitsideal nach. Als Bewohner derselben geistigen Provinz, die man vielleicht als das ‚Geheime Europa‘ bezeichnen könnte, teilten Cocteau und Breker die gleiche Vision, sie sind vereint in dem Bestreben, mit ihrem Wirken den Überlieferungen und Ideen der Alten neue Gestalt zu verleihen und sie so für kommende Generationen zu bewahren.
Nach seinem Tod fand Jean Cocteau in der noch von ihm selbst ausgemalten Kapelle Saint Blaise des Simples in Milly-la-Forêt seine letzte Ruhestätte. Auf Wunsch der Nachlassverwalter des Künstlers wurde dort auch ein Abguss der von Arno Breker geschaffenen Porträtbüste aufgestellt, bis heute das Symbol einer außergewöhnlichen Freundschaft.
Michael Boss

Anmerkungen


1. Jean Cocteau: Tagebücher, zit. N.: Ursula Böhmer: Jean Cocteau und die „Breker-Affäre“. In: Forum Homosexualität und Literatur 16 (1992), S.5-24, hier S. 8.

2. ebda, S. 9.

3. ebda, S. 13-14.

4. Arno Breker: Im Strahlungsfeld der Ereignisse 1925 – 1965. Leben und Wirken eines Künstlers. Porträts, Begegnungen, Schicksale. Preußisch-Oldendorf 1972, S. 198.

5. ebda, S. 191.

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Ausstellungstipp

Jean Cocteau in Düsseldorf

Noch bis zum 20.12.2013 zeigt die Düsseldorfer Galerie Linn Lühn Zeichnungen von Jean Cocteau. Präsentiert werden Arbeiten aus den 50er und 60er Jahren, die den Universalkünstler Cocteau als einen sensiblen Poeten des Zeichenstifts vorstellen. Alle Arbeiten stammen aus der Sammlung des Pariser Druckers Fernand Mourlot, der auch mit Arno Breker zusammengearbeit hat. Weiterer Bestandteil der kleinen Schau ist das 1924 erschienene Buch Le mystére de Jean l’oiseleur. Dieses besteht vor allem aus 31 Selbstporträts, die Cocteau im Opiumrausch angefertigt hat. Hier zeigt sich der Surrealist Cocteau auf dem Höhepunkt seines Schaffens.

Info: Galerie Linn Lühn, Birkenstr. 43, Düsseldorf-Flingern, Di-Fr. 13 – 17, Sa 11 – 15 Uhr; www.linnluehn.com/.

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DAS LETZTE WORT

Man erfreut sich auch eines Kunstwerks, das nichts als die Verzweiflung des Künstlers ausdrückt. Es hat doch, eben als Kunstwerk, ein schönes Gesicht. Jeder gutgewachsene Satz, den ein tiefer Pessimist niederschreibt, bejaht als solcher die Welt. Er hat etwas gefaßt – und die Erkenntnis des Elends strahlt wie ein Diamant. Die Freude, die das Kunstschöne auslöst, ist im Grunde lauterer als die religiöse Freude. Sie steht vielleicht zu ihr in Konkurrenz. Die religiöse Freude ist vom Glauben abhängig und braucht letztlich kein Objekt. Umgekehrt ist die Freude am Kunstschönen nicht denkbar ohne Objekt, wenn auch ebenso wenig ohne Transzendenz. Immer aber ist sie ein Stück Daseinsfreude, die zwischen Gegenstand und Zustand nicht unterscheidet. Aber das bloß Interessante vollzieht schon den Abfall vom Schönen.

 

- Botho Strauss, Lichter des Toren -

 

 

Impresssum:
Herausgeber: Arno-Breker-Gesellschaft Düsseldorf e.V.,
Hinterfeld 42c, 41564 Kaarst.

Verantwortlicher Redakteur: Michael Boss

Internet: www.arno-breker.info              
E-mail: arno-breker-ges@gmx.de

 

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MITTEILUNGEN


DER ARNO-BREKER-GESELLSCHAFT DÜSSELDORF
Nr. 4 Sommer 2013

Zwei Ereignisse des Jahres 2013 nähren die Hoffnung, dass sich in der bundesdeutschen Öffentlichkeit ein Wandel im Umgang mit Arno Breker und seinem Werk vollzieht: zum einem zeigte das Museum MARTa in Herford im Rahmen des Projektes “Breker Labor” des Konzeptkünstlers Christoph Büchel eine Vielzahl Skulpturen Brekers, ohne dass der sonst übliche Proteststurm losbrach. Zum anderen erschien mit dem von Rainer Hackel herausgegeben Band Im Irrlicht. Arno Breker und seine Skulpturen zum ersten Mal ein deutsprachiges Buch, das sich ausgewogen und unvoreingenommen mit Breker befasst. Diese Ereignisse schlagen sich auch in den vorliegenden Mitteilungen nieder: so konnten wir die Kuratoren des Museums MARTa für ein Interview gewinnen, ferner findet sich eine Rezension des Buches von Rainer Hackel.
Allerdings sollte man Ausstellung und Buch nicht überschätzen: beides fand bzw. findet mehr oder weniger unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt: so wurden weder das Projekt von Christoph Büchel noch der Band von Rainer Hackel in der überregionalen Presse besprochen. Der Kreis der Brekerfreunde wird daher auf absehbarer Zeit überschaubar bleiben, aber: ein Anfang ist gemacht.

Eine anregende Lektüre wünschen


Heiner E. Frisch                                                   Michael Boss
(Vorsitzender)                                                        (Redakteur)

 

AUSSTELLUNG

Alexander Calder in Düsseldorf

Unter dem Titel “Avantgarde in Bewegung” präsentiert die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf vom 07.09.2013 – 12.01.2014 eine Retrospektive des amerikanischen Bildhauers Alexander Calder, der gemeinhin als der Erfinder der kinetischen Kunst gilt. Neben den abstrakten Mobiles, die Calder berühmt machten, werden auch experimentelle Filme, avantgardistische Musik und bildnerische Werke von Weggefährten des Bildhauers gezeigt.
1927 teilten sich Calder und Arno Breker für kurze Zeit ein Atelier in Paris. Auch Jahrzehnte danach sprachen beide Bildhauer mit großer gegenseitiger Hochachtung voneinander. So bezeichnete Breker Calder in seinen Memoiren als einen ”treuherzigen, von echter Naturbegabung strotzenden Zeitgenossen”, dessen “Arbeiten in Messingdraht […] nach fast vierzig Jahren nichts von der überzeugenden Frische der ersten Visionen eingebüßt hatten”. Calder seinerseits nannte Breker in den 1988er Jahren in einem Aufsatz den “most significant living sculptor of the classical tradition in our time.” Ob sich dieser Zusammenhang auch in der Düsseldorfer Ausstellung niederschlägt, bleibt abzuwarten.

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BUCHBESPRECHUNG

Neue Blicke auf Arno Breker


Die bisherige Sekundärliteratur zu Arno Breker lässt sich grob in zwei Gruppen einteilen: auf der einen Seite stehen die reinen Lobhudeleien, die in zumeist weihevollem Ton dem ‚Meister‘ huldigen, auf der anderen Seite finden sich die üblen Schmähschriften, die das ‚Monster‘ Breker beschwören und gleichzeitig bannen wollen, indem sie es zum Nicht-Künstler erklären und so jeder weiteren Beschäftigung mit seinem Werk enthoben sind. Beiden Gruppen gemein ist nur, dass sie Breker nie gerecht werden.
Einen neuen Weg schlägt nun Rainer Hackel mit dem von ihm herausgegebenen Band Im Irrlicht: Arno Breker und seine Skulpturen ein, der den Versuch unternimmt, aus einem neuen Blickwinkel auf Breker zu schauen und ein ausgewogenes und unvoreingenommenes Bild von ihm und seinem Schaffen zu zeichnen. Kuriosität am Rande: erschienen ist das Buch im Verlag Büchse der Pandora von Peter Grosshaus, einem an sich linken Projekt und somit über manchen Zweifel erhaben.
Herausgeber Rainer Hackel unternimmt in seinem Essay Annäherungen, dem eigentlichen Herzstück des Bandes, einen Streifzug durch das Schaffen Brekers seit den frühen 1920er Jahren, wobei er auch dessen von der Kritik bisher meist ignoriertes graphisches Werk einer Würdigung unterzieht. Besonders hervorzuheben ist Hackels kritische Lektüre von Brekers Memoiren Im Strahlungsfeld der Ereignisse. Hier ist der gelernte Literaturwissenschaftler Hackel in seinem Element und kann zeigen, wie sehr Breker seine Lebenserinnerungen dazu genutzt hat, seine Tätigkeit für die Nationalsozialisten vor der Nachwelt (und sich selbst?) zu rechtfertigen. Zum eigentlichen Hauptwerk Brekers werden Hackel aber die über dreihundert Porträtbüsten, deren hervorragendste er mit Einzelanalysen würdigt. Hackels Text besticht vor allem durch sensible und feinsinnige Interpretationen einzelner Werke Brekers, wobei auf überkommende Deutungsmuster verzichtet wird und die stereotype Darstellung Brekers als bloßem Nazikünstler aufgebrochen wird. So gelingt es Hackel, Türen in völlig neue Interpretationsräume zu öffnen. Seine Analysen kulminieren in der These, dass einige Skulpturen Brekers wirken, als seien sie geradewegs dem Traum entsprungen. Dieser nur kurz angerissene Ansatz, der Breker in die Nähe des Surrealismus rückt, verdient es, weiter verfolgt zu werden, werden doch so zu mindest einige Figuren Brekers zu Verwandten der nackten Traumgestalten eines Paul Delvaux, zu Bewohnern der weiten Landschaften Salvador Dalis. Auch die Freundschaften Brekers zu Cocteau, Dali und dem phantastischen Realisten Ernst Fuchs erscheinen so in einem gänzlich anderem Licht.
In einem zweiten Aufsatz spürt Rudolf Conrades, 2006 bundesweit bekannt geworden als Kurator der Schweriner Breker-Ausstellung, der Art und Weise nach, wie das bundesrepublikanische Kulturestablishment mit Breker und seinem Werk umgegangen ist und zeigt, wie die führenden Akteure vermeintlich problematische Lebensläufe nach eigenem Gusto verdammt oder verklärt haben. Vor allem aber ist Conrades´ Text eine Abrechnung mit Volker G. Probst, der sich aus rein opportunistischen Gründen vom Breker-Verehrer zum erbitterten Breker-Verächter wandelte.
Abgerundet wird der Band durch zwei Fotostrecken, die beide im Skulpturengarten der Familie Breker entstanden sind. Während die Bilder von Verleger Peter Grosshaus eher konventionell sind, hat die junge Fotografin Alla Poppersoni ihre Fotos nachträglich verfremdet und Brekers Plastiken so in ein neues Strahlungsfeld gerückt. Puristen mag dies missfallen, aber es macht deutlich, dass eine junge, unvoreingenommene Künstlergeneration in der Lage ist, sich Breker kreativ zu nähern und für das eigene Schaffen fruchtbar zu machen.
Man kann Peter Grosshaus, der für den Band neben dem Vorwort auch eine kurze Kritik des Herforder „Breker Labor“ von Christoph Büchel verfasst hat, nicht genug danken für den Mut, das Wagnis Breker eingegangen zu sein. Auch auf die Gefahr hin, pathetisch zu werden: mit Im Irrlicht ist Arno Breker endlich im 21. Jahrhundert angekommen.
Michael Boss

Rainer Hackel (Hrsg.): „Im Irrlicht. Arno Breker und seine Skulpturen“. Mit Beiträgen von Rudolf Conrades, Peter Grosshaus, Rainer Hackel und Alla Poppersoni.

2013 Büchse der Pandora Verlags-GmbH, Wetzlar, ISBN 978-3-88178-250-0 www.digitalakrobaten.de

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IM GESPRÄCH


Ursprünglich wollten wir den Schweizer Künstler Christoph Büchel zu seinem für die Ausstellung „Farbe bekennen“ konzipierten Projekt „Breker Labor“ im MARTa Herford befragen. Da Büchel jedoch keine Interviews gibt, war die Kuratorin der Ausstellung, Friederike Fast, bereit, sich zu den Hintergründen der Aktion und den Reaktionen der Öffentlichkeit zu äußern.

Welche Überlegungen haben Sie bewogen, den Workshop in die Ausstellung „Farbe bekennen“ aufzunehmen?

Mit der Ausstellung „Farbe bekennen“ sind wir auf die Suche gegangen nach dem, „was Kunst macht“. Vor dem Hintergrund von Bankenkrisen und Politikverdrossenheit ist Glaubwürdigkeit zu einem hohen Gut geworden. Gerade auch in westlichen Wohlstandsgesellschaften besitzt die Frage „Was kann Kunst heute zu unserer Gesellschaft beitragen?“ daher bis heute eine große Relevanz.
Ausgehend von einem unerschütterlichen Glauben an eine besondere Kraft der Kunst hat das MARTa Herford 12 internationale Künstler und Künstlergruppen eingeladen, die sich seit mehreren Jahren intensiv mit sozialen und politischen Fragen auseinandersetzen und die mit ihrem Werk für dieses Engagement überzeugend eintreten. Durchaus im Sinne eines Rechercheprojekts war jeder von ihnen angefragt und frei, auf unsere Fragestellungen mit einem eigens dafür entwickelten Beitrag zu reagieren.

Wie bewerten Sie den Verlauf der Aktion, und auf welches Echo ist das Projekt gestoßen?

Seit dem 2. Februar bis heute haben jede Woche etwa vier Workshops stattgefunden – einige Teilnehmer planen gleich mehrere Termine in Folge ein. Unter den Workshopteilnehmern befinden sich Kinder- wie Erwachsenengruppen aus Herford und Umgebung. Auch das Interesse in der Presse und bei den Besuchern war von Anfang groß. Vor allem in persönlichen Gesprächen oder auch Briefen erhalten wir weiterhin zahlreiche Rückmeldungen – dabei reicht das Echo von interessierten Fragen über emotional bewegte Reaktionen oder offene Empörung bis hin zu sehr differenzierten und kritischen Diskussionen. Das Projekt erzeugt einen großen Gesprächsbedarf, wobei die Diskussionen aber immer wieder den Blick auch auf die Ausstellung „Farbe bekennen“ mit den sehr unterschiedlichen Beiträgen der Künstler öffnen.

Können Sie die Atmosphäre beschreiben, die in den Workshops herrscht, und wie gehen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit den Werken Arno Brekers um?

Die Workshops finden in einem Atelierraum statt, in dem die teilnehmenden Gruppen mit technischer Unterstützung eines Werkstattleiters arbeiten. Bisher sind dabei zahlreiche Skulpturen aus Ton entstanden, die im Museum gebrannt werden und im Anschluss an die Ausstellung von den Workshopteilnehmern mitgenommen werden können. Bei einigen Skulpturen ist die direkte Auseinandersetzung mit den Skulpturen von Arno Breker deutlich sichtbar, es gibt aber auch Arbeiten, die sich weniger eindeutig auf die Vorlagen beziehen. Insgesamt lässt sich feststellen, dass jede Gruppe sehr individuell auf die gegebene Situation vor Ort reagiert. Immer jedoch entsteht eine sehr konzentrierte Arbeitsatmosphäre, so dass man sich als Besucher, sofern man nicht mitarbeiten möchte, wohl eher als „Eindringling“ empfindet denn als distanzierter Beobachter.

Welche Art von Protesten gegen das Projekt hat es vor Ort gegeben, und wie ist Ihr Haus damit umgegangen?

Neben einer regional geführten Debatte um zwei Grafiken eines Herforder Künstlers, die neben Reproduktionen von anderen Kunstwerken in dem Atelier hängen, blieb ein größerer Protest bis heute aus. Auch eine vom DGB angekündigte Aktion fand schließlich nicht statt. Das Projekt hat aber zu weit reichenden Diskussionen angeregt, die auch jetzt noch anhalten. Das MARTa Herford begegnet diesen durchaus kritisch geführten Gesprächen offen und versteht sie als Teil des prozessorientierten Projekts. Neben den Briefen, E-Mails und persönlichen Gesprächen hat das Museum auch eine gut besuchte Podiumsdiskussion mit prominenten Gästen veranstaltet.

Inwieweit überrascht es Sie, dass eine empörte überregionale Reaktion auf die Präsentation des „Skandals“ Breker bisher nahezu ausgeblieben ist, und haben Sie eine Erklärung dafür?

Die Tatsache, dass Werke des in vielen Kreisen höchst umstrittenen Künstlers Arno Breker in diesem Workshop öffentlich zu sehen sind, ist keinesfalls der einzige Diskussionsgegenstand. Die Situation gibt nicht nur Anlass darüber zu sprechen, wie wir heute mit diesem Künstler und seinem Werk umgehen wollen, sondern auch wie und wo Therapie heute stattfindet bzw. was unter Vermittlungsarbeit zu verstehen ist und wie sich das verändert, was wir unter Kunst verstehen, oder auch, welche Rolle Künstler und Museen für die Gesellschaft spielen. Dies sind alles wichtige Fragen, mit denen sich unsere gegenwärtige Gesellschaft beschäftigen muss.
Ich glaube, dass die Ausstellung „Farbe bekennen“ uns zeigt, dass gezielte Fragen und Irritationen von Künstlern mehr überzeugen können als hohle Phrasen, leere Versprechen und Scheinlösungen, wie sie uns in allen Bereichen des Alltags begegnen. Anstelle von alten Ideologien und einfachen Feindbildern gilt es heute, Widersprüche aufzudecken und auszuhalten. In diesem Sinne erwies sich der von Christoph Büchel initiierte Workshop einfach als zu komplex und für eine plakative Skandalisierung völlig ungeeignet.

Wenn ich richtig informiert bin, sprach Roland Nachtigäller in seiner Rede zur Eröffnung von „Farbe bekennen“ auch von der Freiheit der Kunst. Inwieweit würden Sie diese Freiheit auch Arno Breker und seiner Kunstauffassung zubilligen?

Die Freiheit der Kunst ist ein hohes und schützenswertes Gut, das vor allem in Zeiten verstärkter politischer oder religiöser Machtansprüche gefährdet ist. Diesen Freiraum bereitzustellen, zu beschützen und dafür auch öffentlich einzustehen, sehe ich als eine zentrale Aufgabe von Museen, so auch vom MARTa Herford. Höchst beunruhigende aktuelle Beispiele aus China, Rußland oder auch dem geografisch näheren Ungarn zeigen, dass im Kampf für diese Freiheit bis heute viel aufs Spiel gesetzt werden muss, bis hin zum eigenen Leben. Ich habe große Achtung für die Menschen, die sich gerade in diesen existentiell bedrohlichen Situationen öffentlich dafür einsetzen. Aber nicht nur in Diktaturen, sondern auch in westlichen Wohlstandsstaaten gibt es immer wieder Entwicklungen, die diese Freiheit gefährlich ins Wanken bringen. Die besondere Herausforderung – damals wie heute – liegt darin, diese Gefahren zu entdecken und dagegen wirkungsvoll anzugehen. Auch die Künstler der Ausstellung halten uns eindrücklich vor Augen, dass die Verantwortung vor allem bei uns selbst liegt, diese Verstrickungen zu entdecken und öffentlich „Farbe zu bekennen“.

Das Kunstmagazin „Monopol“ bezeichnete in seiner Besprechung der Ausstellung „Farbe bekennen“ das Werk Arno Brekers als „unmenschlich“. Inwiefern ist dagegen die auf Schockeffekte setzende und mit der Ästhetik des Schreckens arbeitende Installation von Thomas Hirschhorn als eine menschliche(re) Kunst zu begreifen?

Die oftmals raumgreifenden Collagen von Thomas Hirschhorn richten sich gezielt gegen ein rein kontemplatives Schauen. Als „inkommensurabel“ bezeichnet er auch das Banner, das in der Ausstellung „Farbe bekennen“ zu sehen ist: die dort versammelten Abbildungen zerstörter Körper machen ein Wegsehen schier unmöglich. Zerstörte Körper verlangen eine Reaktion; es stellen sich Gefühle von Entsetzen bis hin zu physischem Schmerz ein. Dennoch setzt Hirschhorn mit dieser Arbeit nicht auf einen banalen Schockeffekt – er stellt diesen Bildern einen manifestartigen Text beiseite, in dem er überzeugend ausführt, weshalb diese Bilder heute gezeigt und angesehen werden müssen. Mit seiner Arbeit legt der Künstler den Finger in die Wunde – auch wenn wir uns als gut informierte Weltbürger verstehen möchten, meidet man diese schwer erträglichen Bilder im Alltag. Indem Hirschhorn uns diese Bilder (und damit unsere eigene „Hypersensibilität“) vor Augen hält, begreifen wir, dass wir Perfektionisten im Wegsehen und Verdrängen von Kriegsnachrichten sind, obwohl wir mitten in einer Welt leben, in der permanent Körper zerstört und Leichen fotografiert werden.

In den vergangenen Jahren haben sich die unterschiedlichsten Künstler mit dem Werk Arno Brekers beschäftigt, zumeist aus kritischer Distanz, oft mit ironischem Zugriff. Als Beispiele seien hier nur einzelne Arbeiten von Dennis Rudolph, das Projekt „Salo“ von Matti Braun oder die „Flieger“-Collagen von Jens Ulrich genannt. Wie würden Sie die Arbeit von Christoph Büchel in diesen Kontext einordnen?

An diesem besonderen Projekt überzeugt vor allem die Weise wie es zentrale Fragen unserer Gesellschaft auch weit über Arno Breker und den Umgang der Kunstgeschichte mit diesem Künstler hinaus anspricht. In ihrer ganzen, auf den ersten Blick durchaus nicht immer in allen Dimensionen durchschaubaren Komplexität ist diese Arbeit herausragend.

Seit 1945 gilt Arno Breker unter Kunsthistorikern vor allem aus Deutschland als Nicht-Künstler, der allenfalls für die Geschichts-wissenschaft interessant ist, aber keine kunstgeschichtlichen Weihen verdient. Glauben Sie, dass sich der Umgang mit der Kunst Arno Brekers und die zumeist negative Einschätzung seines Werks in Zukunft ändern wird, und dass die Präsentation in Herford hierfür einen Beitrag leisten kann?

Es gab in der Vergangenheit unterschiedliche Ansätze mit dem Werk Arno Brekers umzugehen, es zu untersuchen und einzuordnen. Ein zeitgenössischer Künstler wählt andere Mittel, um darauf zu reagieren als es Galeristen, Sammler oder Kunsthistoriker tun würden. Gerade die Komplexität des hier geschaffenen Bildes mit vielen Verweisen auf andere Themenfelder ermöglicht einen neuen Zugang. Ob sich jedoch die öffentliche Wahrnehmung dieses Künstlers dadurch verändert und in welcher Weise bleibt rein spekulativ.
Fragen: Michael Boss (per E-Mail)

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DAS LETZTE WORT


Eine “einzige große Krankheit” hat Schönheit und Würde tabuisiert. Die Übergabe an die Gemeinheit ist schon längst vollzogen worden, mit Hitler als Beschleuniger, da er den Schönheitsbegriff ideologisierte und politisierte und ihn für sich in Anspruch nahm.
Die Feinde griechischen Denkens haben gesiegt. Das Häßliche, Würdelose wurde als neuer Mythos auf die Sockel der gestürzten Denkmäler der Schönheit gestellt und grinst frech triumphierend herunter als Symbol der Verwesung.
Nach dem herbstlichen Vermodern bilden sich jedoch unter dem Laub neue Keime. Sie sind noch unsichtbar, und doch sind sie Gewißheiten des nächsten Frühlings, falls nicht die Voraussetzungen dazu von uns Heutigen zerstört wurden. Kulturen sind im Verlauf der Menschheitsgeschichte aufgeblüht und verloschen. Doch nun scheint zum ersten Mal das Undenkbare möglich, daß unser Verfall ein endgültiger sein kann. Diese physische Bedrohung der Menschheit als mögliche Endgültigkeit spiegelt heutige Kunst in einem Maß an abgrundtiefer Häßlichkeit wider, wie es zuvor keine Kultur in ihrer Verfallsphase getan hat.

                                                                                       

                                                                                        - Angerer der Ältere, Maler -


Impresssum:

Herausgeber: Arno-Breker-Gesellschaft Düsseldorf e.V.,

Hinterfeld 42c, 45564 Kaarst.
Verantwortlicher Redakteur: Michael Boss
Internet: www.arno-breker.info E-mail: arno-breker-ges@gmx.de

 

MITTEILUNGEN


DER ARNO-BREKER-GESELLSCHAFT DÜSSELDORF

Nr. 3 Frühjahr 2013

Für Breker- Freunde begann das Jahr 2013 mit einer handfesten Überraschung. Im Rahmen der Ausstellung "Farbe bekennen" präsentiert das Museum MArtA in Herford 50 Skulpturen und Reliefs von Arno Breker.
Initiiert wurde das Projekt vom Schweizer Konzeptkünstler Christoph Büchel. Weitere Informationen befinden sich im untenstehenden Artikel.
Schwerpunkt dieses Rundbriefs ist ein Interview mit Walter Kusch, der in den 1970er Jahren Arno Breker Modell gestanden hat, und der sich hier ausführlich zu seiner Zeit im Hause Breker äußert.
2013 ist nicht nur Richard-Wagner-Jahr, sondern auch Jean-Cocteau-Jahr. Beide Anlässe sollen in den kommenden Ausgaben der Mitteilungen entsprechend gewürdigt werden.

Heiner E. Frisch                          Michael Boss
(Vorsitzender)                             (Redakteur)

 

 

Ausstellungen

Arno Breker in Herford

Im Rahmen der Gruppenausstellung "Farbe bekennen", die das Verhältnis von Kunst und Politik untersuchen will, zeigt der Schweizer Konzeptkünstler Christoph Büchel noch bis zum 05. Mai 2013 im Herforder Museum Marta seine Installation Breker Labor. Sie besteht aus 50 Skulpturen und Reliefs Brekers, die allesamt aus dem Besitz der Familie Breker stammen, die Büchel in einer schmucklosen Werkstattsituation arrangiert hat. Während der Ausstellung finden in dem Raum Modellierkurse statt, die zu einer direkten Auseinandersetzung der Kursbesucher mit den Plastiken einladen. Dabei wünscht sich Büchel vor allem Teilnehmer, die aus Therapieeinrichtungen kommen. So hatte sich bereits für das erste Ausstellungswochenende eine Gruppe aus den Behindertenwerkstätten Bethel angemeldet. Die Ergebnisse dieser temporären Bildhauerwerkstatt sollen zum Abschluss der Ausstellung in einer gesonderten Publikation präsentiert werden.
Die Ausstellungsmacher haben das Breker-Projekt erst zur Ausstellungseröffnung am 01. Februar bekannt gemacht, um Diskussionen und Auseinandersetzungen um das Werk Brekers im Vorfeld zu verhindern. Zu einem gewissen Teil scheint dieses Kalkül aufgegangen sein, da überregionale Medien bisher kaum auf die in der Vergangenheit immer als Provokation verstandene Präsentation von Brekerwerken in einem musealen Kontext reagiert haben. Kritische Beiträge fanden sich nur in einigen der lokalen Zeitungen. Allerdings wäre es voreilig, hieraus abzuleiten, dass es künftig möglich sein wird, große Ausstellungen mit Werken Arno Brekers durchzuführen, ohne einen Sturm der Entrüstung auszulösen.

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Dali-Retrospektive in Paris

Bis zum 25. März 2013 zeigte das Centre Pompidou in Paris eine Salvador Dali gewidmete Retrospektive. Gezeigt wurden über 200 Werke aus allen Schaffensphasen, darunter Gemälde, Zeichnungen und Skulpturen. Begleitet wurde die Schau von einem breit angelegten Rahmenprogramm, das die künstlerische Bandbreite Dalis dokumentierte. Vom 23. April bis zum 02. September 2013 ist die Ausstellung dann im Reina Sofia Museum in Madrid zu sehen.
In der deutschen Presse wurde die Retrospektive kaum wahrgenommen. Der Rezensent der Wochenzeitung DIE ZEIT ernannte Dali kurzerhand zum "Kitschtitanen" und konnte auch der Versuchung nicht widerstehen, die Freundschaft zwischen Dali und Arno Breker gegen den katalanischen Meister zu verwenden. Das Kunstmagazin ART hingegen widmete Dali in seiner Januarausgabe eine Titelgeschichte und nannte Gründe, warum es der große Surrealist verdiene, wieder erstgenommen zu werden.

 

Im Gespräch

 

"Perfektion war das Ziel": Interview mit Walter Kusch

In den 1970er Jahren gehörte der 1954 geborene Walter Kusch zu den erfolgreichsten Schwimmern in Deutschland. Zu seinen größten Triumphen zählten neben 26 deutschen Meistertiteln, vier Europarekorden und 30 deutschen Rekorden die Bronzemedaille in der 4 x 100 m Lagen-Staffel bei den Olympischen Sommerspielen 1976 in Montreal und 1978 der Gewinn des Weltmeistertitels im 100 m Brustschwimmen. Nach Beendigung seiner sportlichen Laufbahn schloss Kusch sein Studium der Zahnmedizin ab und eröffnete 1987 in Hildesheim seine eigene Zahnarztpraxis. Kusch ist verheiratet und Vater von drei Kindern.
Zwischen 1975 und 1978 arbeitete Walter Kusch als Modell für Arno Breker. An dieser Stelle noch einmal einen herzlichen Dank an Walter Kusch für seine Bereitschaft, unsere Fragen zu seiner Zeit im Hause Breker zu beantworten. Nach vielen Jahren Pause steht Kusch mittlerweile auch wieder in Kontakt mit der Familie Breker.

Michael Boss fragt:
Wie hat sich Ihre Zusammenarbeit mit Arno Breker ergeben und wie hat Ihr Umfeld darauf reagiert?

Anfang 1975 bekam ich einen Brief von Herrn Bodenstein, Galerie Marco. Er berichtete über den geplanten Zyklus Olympia und gab mir einige Informationen über Arno Breker. Dieser Name war mir unbekannt. Ich bekam außerdem einen Ausstellungskatalog mit Arbeiten von Breker, damit ich mir schon mal ein Bild über die Kunstrichtung machen konnte. Bodenstein sprach natürlich auch an, dass ich als Modell nackt sein müsste, was in der damaligen Zeit schon als sehr anrüchig unter Nicht-Kunstinteressierten galt. Ich habe bei meinem Vater nachgefragt, und der wusste sofort: “Der Bildhauer von Hitler”.

Von da an wurde die ganze Sache für mich interessant. Ich war bis dahin eigentlich nicht besonders interessiert an Kunst. Aber bald hatte ich einige Zeitungsartikel gefunden, was damals ohne Internet nicht einfach war. In diesen Artikeln wurde eine Ausstellung von Brekerarbeiten durch Kollegen und Kulturjournalisten aufs Schärfste kritisiert: 'dass so einer überhaupt ausstellen darf' und: 'der hat nach der Auftragskunst nichts dazu gelernt', und so weiter. Sofort stand für mich fest, dass ich auf alle Fälle einem Treffen zustimmen würde, um mir ein eigenes Bild von diesem Künstler zu machen. Die Bilder und Skulpturen aus dem Ausstellungskatalog hatten mir gut gefallen, vor allem die neueren Arbeiten. Ich musste einfach herausfinden, wie solche Skulpturen hergestellt werden.

Es wurde ein Termin vereinbart und ich fuhr mit Herrn Bodenstein von meinem Wohnort Bonn nach Düsseldorf-Lohausen. Dort trafen wir Arno Breker mit Ehefrau Charlotte und lernten uns bei Kaffee und Kuchen etwas kennen. Charlotte glich in ihrer Art stark meiner Mutter, Arno Breker war eben damals schon im Alter eines Großvaters, den ich leider nicht mehr hatte.

Ich glaube sagen zu können, dass wir sehr schnell einen besonderen Zugang zueinander hatten. Ich hatte überhaupt keine Scham, schon beim ersten Treffen Fotos durch Arno Breker machen zu lassen, bei denen ich schon unbekleidet war. Arno war irgendwie voller Energie und wollte am liebsten sofort anfangen. Es blieb aber beim ersten Treffen bei den Fotos und wir vereinbarten einen Termin, am dem es losgehen sollte. Damals hatte ich noch keine Vorstellung davon, wie viele Tage und Stunden ich in dem großen Atelier zwischen den ganzen Skulpturen zubringen würde.

War ihre Entscheidung, für Arno Breker Modell zu stehen, eine Form von Protest?

Nein, das war kein Protest. Meine Eltern hatten viele gute Erinnerungen an das Dritte Reich konserviert. Für die schlechten Erinnerungen waren sie noch zu jung. Mein Vater ist noch mit 15 eingezogen worden als Flakhelfer an die Nordsee. Meine Mutter war gerade 9, als in Deutschland alles zusammenbrach. Von daher gab es also keine Ablehnung oder Kritik gegenüber Arno Breker. Von meiner Seite aus war es wirklich pure Neugier, diesem Menschen und seinem Werk zu begegnen.
Brekers ehemaliges Modell Gustav Stührk hat in einem Interview erzählt, dass er während der langen Stunden im Atelier u. a. Gedichte von Hölderlin vorgetragen hat. Wie verliefen Ihre Porträtsitzungen mit Breker?

Brekers und ich haben gegen Ende der Arbeiten einmal die Tage zusammengezählt, an denen ich in Düsseldorf gewesen bin. Wir sind auf etwas mehr als 100 Tage gekommen.
Ein Arbeitstag sah wie folgt aus: Ankunft in Düsseldorf ca. 10:00 Uhr. Dann Arbeiten bis 12:30 Uhr. Mittagessen mit der Familie, Arno machte danach für eine halbe Stunde die Augen zu, ich habe Kaffee getrunken oder mich auf dem Anwesen aufgehalten. Dann von 14:00 bis 16:00 Uhr Arbeit. Danach musste ich los, da ich zum Abendtraining in Bonn sein wollte. An den Wochenenden bin ich auch länger geblieben.
Für die erste Skulptur hatte sich Arno eine Position vorgenommen, bei der ich mit zur Seite ausgestreckten Armen stand. Das ist für einen Bewegungssportler eine schwierige Haltung und man kann die Arme nur ein paar Minuten so halten. Arno hat dann Holzstützen gebaut, damit ich die Hände auflegen konnte. Dabei war natürlich die Spannung im Körper ganz anders. Also musste die Position abwechselnd eingenommen werden.

Um welche Themen drehten sich ihre Gespräche während der gemeinsamen Arbeit, und spielte Politik darin jemals eine Rolle?

Während der vielen Stunden hatten wir kein festes Programm zur Unterhaltung. Bei der Arbeit war Arno so konzentriert, dass er eigentlich nur gesprochen hat, wenn es etwas zu korrigieren gab. Im Lauf der Wochen und Monate, die wir zusammen verbrachten, entwickelte sich aber eine Art Gespräch über aktuelle Themen aus Politik und Kunst, das in etwa so ablief:

Arno: "Haben Sie gelesen, was der Beuys jetzt ausgestellt hat?" Von mir dann eine kurze Antwort, bei Beuys z. B. meine Bewunderung für sein Talent, die Leute für dumm zu verkaufen. Von Arno: Pause, mindestens fünf Minuten konzentrierte Arbeit, dann sein Kommentar: "Grrrotesk!" Wieder Pause, dann: "Nicht wahr?"
Grotesk war sein Lieblingswort für alles, was ihm gegen den Strich ging. Dabei rollte er das "R", als käme er aus dem tiefsten Bayern.

Im Laufe der Jahre lernte ich eine Menge über deutsche Geschichte im Dritten Reich, ich kannte die Namen in seinen Erzählungen, wusste, dass Albert Speer in seinem Buch wohl nicht ganz die Wahrheit geschrieben hatte, dass Gerhard Höfer Adjutant im Vorzimmer von Adolf Hitler war, wer die Sekretärin vom "Chef" war und kannte mich schließlich recht gut in der Zeit aus, in der Arno Breker ins neue Zentrum der Welt nach Berlin beordert war.

Bei allen langen Sitzungen war Arno immer sehr auf die Arbeit konzentriert. Er hätte sicher auf jedes Gespräch verzichten können. Manchmal hatte ich den Eindruck, er bemühte sich, ein Gespräch zu beginnen, damit es mir nicht langweilig würde. Später brauchten wir keine langen Gespräche bei der Arbeit, wir waren sowieso meistens gleicher Meinung.
Über die aktuelle Politik von 1975 haben wir oft gesprochen. Über die Politik der alten Zeit konnte ich nur zuhören. Ich habe aus den vielen Berichten und Erzählungen Arnos den Schluss gezogen, dass er kein politischer Mensch war. Ihm war das ganze Getöse eigentlich zuviel, denn es hat ihn bei der Arbeit gestört und die vielen Pflichttermine haben ihn aufgehalten. Es muss damals eine verrückte Zeit in der Berliner Künstlerszene gegeben haben.
Er selbst war ein verrückter Kunstschaffender im positiven Sinne. Und ich glaube, dass er auch nicht viele Wahlmöglichkeiten hatte, als die Kulturelite in Berlin konzentriert wurde, um das neue Zentrum der Welt zu schaffen.

In Ihrer Mail erwähnen Sie, dass Sie während Ihrer Zeit im Hause Breker mehrere größere und kleinere Dramen miterleben mussten. Um welche Art Dramen handelte es sich dabei?

Es gab sehr viele kleine und große Ereignisse im und um das Haus Breker. Hier nur zwei aus verschiedenen Bereichen als Beispiele:
In meiner Zeit bei Brekers konnte ich auch viele andere Skulpturen und Büsten entstehen sehen. Das fing immer mit dem Stahlgerüst für die Tonfigur an, diese wurde dann in wochenlanger Arbeit perfektioniert. Danach wurde diese Tonfigur umgesetzt in Gips. Auch diese Gipsfigur wurde an vielen Tagen bis ins kleinste Detail ausgearbeitet, um dann irgendwann endlich in Bronze gegossen zu werden.

Besonders spannend war die Entstehung der Büste von Salvador Dali. In Ton war das immer ein Albumen gegen die Zeit. Wenn die Haare endlich richtig saßen, so dass Arno zufrieden war, wechselte das Wetter oder die Temperatur oder er musste etwas anderes voranbringen, so dass die Tonmasse wieder ins Rutschen geriet. Und jedes mal hat er alles wieder aufgearbeitet, Zeit spielte keine Rolle, es musste perfekt sein.

Ein schwieriger Moment kam immer dann, wenn die fertige Gipsskulptur das Haus verlassen musste, um in Paris gegossen zu werden. Die Dali-Büste sieht in Gips viel schöner aus als in Bronze, sie ist viel filigraner, da doch viel an Detail durch die Patinierung zugedeckt wird. Die Spannung ist immer riesengroß, ob der Guss gelingt. Und bei der Dali-Büste ging der erste Guss daneben. Vermutlich war die Gusstemperatur zu hoch. Ein großer Teil der linken Seite des Kopfes sah aus wie weggefressen. Beim Ausbetten sah das so dramatisch aus, dass einer der Gießer einen Herzinfarkt bekam und verstarb. Das hat Arno sehr mitgenommen. Es war ein großer Rückschlag in der Arbeit, vor allem für die langersehnte Präsentation. Aber auch das Schicksal des Gießers hat ihn sehr beschäftigt. Abgesehen davon fand ich diesen Wink des Schicksals fast genial: die verunglückte Büste sah wirklich aus wie ein Kunstwerk von Dali, er selbst hätte es nicht besser inszenieren können.

Ein Drama ganz anderer Art war zum Beispiel folgende Begebenheit: Ich hatte mich natürlich mit den Kindern angefreundet und wir haben zusammen in der Mittagspause irgendetwas unternommen. Als Sohn Gerhart etwa 17 war, ohne Führerschein, hatte er einen Fiat 500 zusammengebastelt, mit dem er auf dem Anwesen Fahren lernte. Ich musste natürlich mit und er wollte mir seine Rennfahrerqualitäten vorführen. Im hinteren Teil des Gartens, in dem die großen Figuren stehen, hatte er aber eine Kurve zu flott genommen und das Auto rutschte über die Wiese auf eine Figur zu, traf sie am Sockel, und die fast 4 Meter große Figur begann nach hinten zu kippen. Das Ganze in Zeitlupe. Mit einem dumpfen Schlag, mehr ein Donnern, fiel die Figur auf den Rücken. Die Fußplatte hatte sich unter der Stoßstange verhängt und den Wagen vorne hochgehoben, wir hingen in der Luft. Es war wirklich filmreif!

Das Entsetzen währte nicht lange. Nachdem wir aus dem Auto geklettert waren stellten wir fest, dass die Figur heil geblieben war. Also musste ein Plan her, damit Papa nichts merkt. Charlotte war schnell mit im Boot und dirigierte Arno ohne den Kaffee, der immer auf der Terrasse eingenommen wurde, ins Atelier, wo ich schon fertig stand und mit besonders viel Gespräch für Ablenkung sorgte. Charlotte und Gerhart trommelten alle Freunde zusammen, um die Figur aufzurichten. Als ich gegen 16:00 Uhr Richtung Bonn aufbrach, war nichts mehr zu bemerken, außer dass in der Wiese hinter der Figur eine große Mulde war. Ich weiß nicht, ob Arno je etwas davon erfahren hat.


Betrachtet man Fotografien von Arno Breker aus den Jahren nach 1960 fällt auf, wie tief sich Verbitterung und Enttäuschung über die fehlende Anerkennung seiner Arbeit nach 1945 in sein Gesicht gebrannt haben. Welchen Eindruck machte Breker in dieser Hinsicht auf Sie?

Als ich zu Brekers kam, war Arno 75 Jahre alt. Entgegen meiner Vorstellung von alten Menschen war er erstaunlich aktiv und beweglich. Aber ich könnte heute auch nicht sagen, dass seine Furchen im Gesicht von Gram verursacht waren.

Wenn wieder einmal ein niederschmetternder Bericht über seine Arbeit erschienen war, war vor allem in seinem Umfeld, bei Freunden und Förderern die Empörung groß. Arno hatte immer eine Erklärung parat, da er die meisten der Kritiker schon kannte und genau wusste, dass diese von bildender Kunst keine Ahnung hatten und nur auf den Zug aufsprangen, um mal einen Artikel absetzen zu können. Wenn man Auftragskunst ablehnte, dann lag das meistens am Frust darüber, dass man selber keine Aufträge bekam. In meinem Beisein hat Arno diese Artikel nur kurz erwähnt und hat zum Verständnis für mich erzählt, aus welchem Hintergrund diese ablehnende Haltung der jeweiligen Schreiber entstanden sein konnte. Dann ging es aber sofort wieder an die Arbeit. Er war einfach besessen davon, ein perfektes Abbild vom Modell zu schaffen.

Während eines Trainingsjahres wechseln verschiedene Schwerpunkte im Training. Und wenn eine Phase mit Krafttraining kam, brachte das Arno schier zur Verzweiflung, weil sich natürlich auch die Muskulatur veränderte. Mich brachte das auch zur Verzweiflung, denn es war ihm völlig egal, wie viel Zeit die Anpassung an die neue Form benötigte. Perfektion war das Ziel.

Wie haben Sie generell die Atmosphäre im Hause Breker wahrgenommen?

Die Atmosphäre im Hause Breker war immer von Freundlichkeit und Höflichkeit getragen. Ich hatte nie das Gefühl, ein Fremder zu sein. Charlotte war ein genialer Puffer zwischen den Generationen. Die Kinder waren ja fast 60 Jahre jünger als der Vater.
Es gab immer wieder Besuch zum Mittagessen. Ich habe einige berühmte Leute aus der alten Zeit und aus der Familie kennen gelernt, und alle haben Charlottes Kochkunst sehr geschätzt. Ich war immer in alle Gespräche eingebunden, und wenn mir der Hintergrund fehlte, dann wurde er mir geliefert.

Wann und warum kam es zur Beendigung ihrer Zusammenarbeit mit Breker, und hatten Sie später eventuell Nachteile aufgrund ihrer Modelltätigkeit?

Nach den Olympischen Spielen 1976 wechselte ich meinen Wohnort von Bonn nach Hildesheim. Dort arbeitete ich eine Zeit im Weinhandel meines Vaters. Durch die erheblich längere Anreise wurden die Besuche bei Brekers weniger.
Ende 1977 wechselte ich nach Würzburg, um mich auf die Weltmeisterschaften im folgenden Jahr vorzubereiten. Auch von Würzburg aus bin ich nach Düsseldorf gefahren, aber in immer größeren zeitlichen Abständen. Als ich dann 1978 Weltmeister in Berlin wurde, war ich im Anschluss sehr viel unterwegs und es war wenig Zeit für Besuche in Düsseldorf.
Der Zyklus Olympia war fertig und der Kontakt wurde immer seltener. Ich bekam dann 1979 einen Studienplatz für Zahnmedizin in Würzburg und nahm gleichzeitig eine Anstellung in der Verkaufsförderung einer großen Bademodenfirma an, um das Studium zu finanzieren.
Damit war natürlich gar keine Zeit mehr für das Modellstehen vorhanden.

Wie gestaltete sich Ihr Kontakt zu Arno Breker und seiner Familie nach Beendigung Ihrer Zusammenarbeit?

Wir hatten schon längere Zeit keinen Kontakt mehr gehabt, da rief mich Tochter Carola an und berichtete mir vom Tode ihres Vaters. Niemand in der Familie sähe sich in der Lage, eine entsprechende Würdigung des Menschen Breker bei der Trauerfeier zu gestalten. Und sie fragte mich, ob ich bereit wäre, das zu übernehmen. Das war natürlich auch für mich eine schwierige Aufgabe. Auch wenn wir einige Jahre keinen Kontakt mehr hatten, war Arno Breker doch so etwas wie ein väterlicher Freund für mich. Ich jedenfalls spürte immer eine besondere Zuneigung zu ihm.

Ich sagte Carola zu, sah mich aber zeitlich und organisatorisch nicht in der Lage, eine entsprechende Würdigung zu verfassen. Inzwischen hatte ich eine eigene Praxis in Hildesheim eröffnet, geheiratet und zwei kleine Kinder zu Hause. Und alles musste ja sehr schnell gestaltet werden. Herr Bodenstein erklärte sich bereit, das Gerüst zu verfassen. Es entsprach recht gut meinen Vorstellungen und ich konnte mich damit wenigstens gut vorbereiten. Aber ich merkte bald, dass es mir immer wieder die Tränen in die Augen trieb, während ich den Text zu lernen versuchte. Mir half in der Kirche, dass es so viele Menschen waren, die Abschied von Arno Breker nehmen wollten und die alle fremd für mich waren. Auf die Reihe mit der Familie durfte ich natürlich nicht sehen. Ich konnte den Text auch gefasst bis fast zum Ende vortragen, aber dann hat mir zum Schluss doch die Stimme ziemlich versagt.

Nach der Beerdigung hatte ich eigentlich keinen Kontakt mehr zur Familie Breker. Ich glaube, dass sich alle für eine ganze Zeit sehr zurückgezogen haben. Ich wollte mich auch nicht aufdrängen und war durch meine Situation in Hildesheim vollständig ausgefüllt.

Bezüglich meiner Modelltätigkeit habe ich in meinem Bekanntenkreis eigentlich nur Anerkennung und Zuspruch erfahren. Auch mir fremde Menschen haben mich darauf angesprochen, wenn sie Artikel und Bilder von unserer Arbeit gesehen haben; immer mit sehr viel Anerkennung und Respekt. Ich kann deshalb diese Stimmungsmache in bestimmten Medien nicht so ganz nachvollziehen. Das, was dort geschrieben steht, ist eben oft nicht das, was der überwiegende Teil der Menschen denkt. Es ist Beeinflussung unter dem Deckmantel der Pressefreiheit.

Welchen persönlichen Gewinn konnten Sie aus Ihrer Zeit mit Arno Breker für sich und Ihr späteres Leben ziehen (nicht in materieller Hinsicht, sondern in Bezug auf Erfahrungen, Kenntnisse usw.)?

Bei allen Gesprächen vor und während meiner Zusammenarbeit mit Arno hat es nie das Wort "Geld" gegeben. Ich kam mit meinen finanziellen Möglichkeiten als Sportler bei der Bundeswehr so einigermaßen über die Runden und durfte, wenn ich nach Düsseldorf fuhr, bei der Haustankstelle von Brekers tanken. Das war für mich in Ordnung so, da ich nie einen finanziellen Aspekt in dieser Zusammenarbeit gesehen habe.
Als Anerkennung habe ich aber von Brekers immer einen Abguss der Figuren erhalten. Aus einer großen Figur bekam ich meinen Kopf als Porträt geschenkt. Dazu wurde ich regelmäßig mit Bildern beschenkt, zur Hochzeit bekam ich sogar eine original Rötelzeichnung. Einige dieser Kunstwerke stehen in meiner Wohnung in Hildesheim und ich freue mich jeden Tag darüber.

In unserer gemeinsamen Zeit habe ich sehr viel gelernt. Viel über das Dritte Reich und über damalige Zustände, worüber man nicht in Büchern lesen kann. Ich habe sehr viel gelernt über Kunst und wie Kunstwerke entstehen. Es war überwältigend zu sehen, wie Arno innerhalb von wenigen Minuten einen Körper mit etwas Tusche und einem kleinen Schwamm perfekt abbilden konnte. Ich habe gelernt, dass es nicht ausreicht, eine Passion perfekt zu beherrschen, wenn man der Liebling der Kritiker sein möchte. Und ich habe gelernt, wie wichtig ein Freundeskreis ist, dem man aufrichtig verbunden ist.
Hatten Sie auch Kontakt zu anderen Modellen Brekers?

Generell hatte ich schon Kontakt zu anderen Modellen. Peter Nocke und Ulrike Meyfarth kannte ich vom Sport, und ich habe auch ein weibliches Modell kennen gelernt, welches stundenweise gegen Honorar Modell stand. Von uns zusammen als Paar hat Arno einige Bilder angefertigt. Sie arbeitete bei der Sparkasse und war sehr natürlich, bodenständig.

Wie bewerten Sie das Werk Arno Brekers im Ganzen?

Mir steht natürlich keine Bewertung des Werkes von Arno Breker zu. Für mich ist Arno Breker der perfekte Handwerker im Sinne der bildenden Kunst gewesen. Dazu ein durchweg guter Mensch ohne jede Ambition für Politik. Auch bei den Aufträgen aus der Wirtschaft oder aus Bayreuth für das Opernhaus hat er sich nie beeinflussen lassen und die Auftraggeber teilweise verzweifeln lassen. Es gab immer nur ein Ziel, und das war die Perfektion. Man sieht es doch deutlich an den Figuren des Olympiazyklus: das sind nicht idealisierte Körper sondern realistische und genaue Abbilder von bestimmten Personen.

Wie genau hat Arno Breker seine Auftraggeber zur Verzweiflung gebracht?

Von den Aufträgen aus Bayreuth habe ich immer in unseren Gesprächen erfahren. Die Büsten wurden ja immer von der normalen Größe in Ton auf über ein Meter Höhe vergrößert. Das hat ein Atelier in Paris gemacht. Danach wurde diese Vergrößerung von Arno wieder vollständig überarbeitet. Dann kam Herr Capelli, der Gipser, aus Paris und setzte die Büste von Ton in Gips um. Und dann wurde sie wieder von Arno vollkommen überarbeitet.
Es gab ja Termine, an denen die jeweiligen Büsten fertig sein sollten: meistens zur Festspielzeit sollten sie schon in Bayreuth auf dem Hügel stehen. Und dann gab es natürlich laufend Anfragen, ob auch alles im Termin sei. Aber bei Arno Breker ging es bei dieser Arbeit nicht um Termine. Das hat schon eine gewisse Nervosität verursacht.

Können Sie sich vorstellen, dass sich die Bewertung des Schaffens von Arno Breker in der Zukunft zu seinen Gunsten verändern wird?

Das kann ich mir nur sehr schwer vorstellen. Alle Quellen und Medien, durch die sich interessierte Menschen informieren können, sind negativ belegt. Die bildende Kunst, die mit den Händen Formen erschafft, wird weiter zurückgedrängt werden von visuellen und digitalen Techniken. Jeder kann das bedienen, jeder kann vorhandene Sachen kopieren und verändern und zum Schluss mit dem 3-D-Kopierer selber herstellen.
Die Kunst, wie sie Arno Breker geformt hat, wird sich auf einen immer kleineren Kreis von Interessierten reduzieren. Jedenfalls für die nähere Zukunft, in der alles immer schneller gehen muss, sehe ich das so. Leider.
Fragen: Michel Boss

Das letzte Wort

Die erste griechische Statue war ebenfalls eine dorische Kreation und fast ein Zeitgenosse des Tempels. Es konnte auch nicht anders sein, da diese Statue, die eher eine Säule als eine menschliche Darstellung war, die gleiche Funktion erfüllte: die, aufrecht zu sein. Ich rede hier von jenen jungen Männern und Mädchen mit eng an den Körpern angelegten Armen, kaum einen Schritt andeutend, die eine Freude ausstrahlen, die vom berühmten, rätselhaften, archaischen Lächeln gekrönt wird; man nennt sie Kouroi oder Kurai, je nach Geschlecht. [...] Es wird deutlich, dass die Botschaft dieser Architektur vor allem eine Anti-Migration-Botschaft in sich trägt:
Aufrecht sein soll bedeuten, auf der Stelle bleiben.


- Serge Mangin, Bildhauer -

 

Impresssum:
Herausgeber: Arno-Breker-Gesellschaft Düsseldorf e.V.,
                     Hinterfeld 42c, 45564 Kaarst.
Verantwortlicher Redakteur: Michael Boss
Internet: www.arno-breker.info
E-mail: arno-breker-ges@gmx.de

 

 

MITTEILUNGEN

DER ARNO-BREKER-GESELLSCHAFT DÜSSELDORF

 

                                                 Sommer 2012

Vor gut zwei Jahren wurde die Arno-Breker-Gesellschaft Düsseldorf e.V. gegründet, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Andenken und Werk Arno Brekers zu bewahren und sein Leben und Wirken kritisch zu erforschen. Trotz der noch geringen Mitgliederzahl konnte die Gesellschaft bereits zwei Broschüren herausgeben und hat mit ihrer am 05.05.2012 freigeschalteten Internetseite www.arno-beker.info nun auch eine Plattform in dem Netz, das vielen die Welt bedeutet. Die Mitteilungen wollen in loser Folge, aber doch regelmäßig, über Neuigkeiten aus der Breker-Welt und Brekerrelevanten Themen berichten. Auch sollen kürzere Essays und Aufsätze hier ihren Platz finden. Beiträge, die sich in dieses Konzept einfügen sowie weitere Anregungen sind herzlich willkommen.

Heiner E. Frisch                Michael Boss
(Vorsitzender)                   (Redakteur)

 

Aktuelles

 

ARNO BREKER in der Normalität angekommen!

Es ist erstaunlich und erfreulich zugleich:

Hatte 1983 noch die Aufstellung eines von ARNO BREKER geschaffenen Heinrich Heine Denkmals auf der Nordseeinsel Norderney in Düsseldorf – und nicht nur dort - für enormen medialen Widerspruch und stadt-offizielle Aufregung gesorgt und im Jahre 2006 eine Ausstellung BREKER´scher Werke im Städtischen Museum in Schwerin zahlreiche Künstler der Düsseldorfer Kunstakademie und nicht zuletzt den Präsidenten der Berliner Akademie der Künste zu öffentlichen Protesten herausgefordert und noch bis ins vergangene Jahr eine beabsichtigte Gedenkannonce zum 20. Todestag von ARNO BREKER im Vorstand der Düsseldorfer JONGES und in den Medien ablehnende Reaktionen hervorgerufen,

so bleibt derzeit die Ausstellung von über 50 Werken ARNO BREKERs aus allen Schaffensperioden des Künstlers im Städtischen Museum MARTA in Herford sowohl von den Medien als auch den sonst stets lautstark protestierenden „üblichen Verdächtigten“ offenbar völlig unbeachtet!
Einzig die örtlichen Tageszeitungen in Herford haben mit großformatigen Aufnahmen und Berichten im Vorfeld der Ausstellungseröffnung „FARBE BEKENNEN“ berichtet.

Als ARNO-BREKER-GESELLSCHAFT Düsseldorf registrieren wir dies natürlich mit Freude.

Noch bleiben weitere zwei Monate, in denen sich Kunstinteressierte einen persönlichen Eindruck vom breitgefächerten Werk dieses großen deutschen Bildhauers verschaffen können - unberührt von medialer Beeinflussung!


Heiner E. Frisch, Vorsitzender der ARNO BREKER GESELLSCHAFT Düsseldorf e.V

 

 

Die Bühnen des Genies: Salvador Dali und das Theater

Bei neuen Büchern über Salvador Dali handelt es sich zumeist um lieblos gestaltete Bildbände, die eine sattsam bekannte Auswahl dalinischer Gemälde sowie keine Überraschungen liefernde Lebensläufe beinhalten. Fundierte Studien zu Einzelaspekten des Schaffens Dalis sind da eher Mangelware. Eine mehr als bemerkenswerte Ausnahme bildet die kürzlich erschienene Promotion der Kunsthistorikerin Simone Brandes über die umfangreiche Theaterarbeit des katalanischen Meisters. Brandes gibt einen Überblick über die insgesamt 39 Bühnenprojekte Dalis, die sowohl Drama als auch Oper, vor allem aber das Ballett umfassen, von denen 18 tatsächlich realisiert werden konnten. Als Autor, Komponist, Kostümbildner, Choreograph und Bühnenbildner hat Dali alle sich ihm bietenden künstlerischen Möglichkeiten ausgeschöpft. Kernstück des Buchs ist ein akribisch zusammengestellter und reich bebildeter Katalog, der die wesentlichen Fakten über sämtliche Bühnenarbeiten enthält. Ferner zeigt Brandes auf, welche bedeutende Rolle die Opern und das Kunstverständnis von Richard Wagner für Salvador Dali hatten. Brandes schließt mit ihrer Studie eine bedeutende Lücke in der Dali-Forschung und macht deutlich, dass Dali weitaus mehr war als der publicitysüchtige und geldgierige Exzentriker, der seine Talente verschleuderte, als der er heute gerne dargestellt wird.

Simone Brandes: Salvador Dali und das Theater. Michael Imhof Verlag 2012.

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Neue Biographie über Werner Peiner

Im Sommer 2012 widmete das Kunstforum Eifel in Schleiden-Gmünd dem 1984 verstorbenen Maler Werner Peiner eine Werkschau. Anlässlich dieser Ausstellung erstellten der Kurator Dr. Dieter Pesch und Martin Pesch eine Dokumentation, die Leben und Werk Peiners einer kritischen Würdigung unterzieht.

Die beiden Autoren zeichnen zunächst Peiners Leben nach: das Studium der Malerei an der Kunstakademie Düsseldorf, u.a. mit Richard Gessner, der bis zu seinem Tod auch ein enger Freund Arno Brekers war; die raschen Erfolge als freischaffender Maler mit wachsendem Kundenstamm; der nahezu übergangslose Aufstieg zum Staatsmaler im Dritten Reich; schließlich den Neuaufbau der eigenen künstlerischen Existenz nach 1945. Peiners Zusammenarbeit mit Breker bei der Ausgestaltung der Gerling-Zentrale in Köln findet aber nur am Rande Erwähnung. D. Pesch und M. Pesch stellen Peiner als einen Opportunisten dar, der es Zeit seines Lebens verstanden hat, einen festen Kreis von finanzstarken Sammlern an sich zu binden, um so nahezu unberührt von den Verwerfungen des 20. Jahrhunderts als freier Künstler leben zu können. Besonders breiten Raum nimmt die Geschichte der Hermann-Göring-Meisterschule für Malerei in Kronenburg in der Eifel ein, der Peiner als Direktor vorstand. Das "Geistige Gesetz" der Schule ist im Anhang des Buches dokumentiert.
Aufgrund der in weiten Teilen sachlichen Darstellung ist der schmale Band durchaus zu empfehlen, zumal es momentan keine vergleichbare Monographie über Werner Peiner gibt. Kritisch anzumerken sind allerdings die schlechten Reproduktionen der ausgewählten Gemälde, was wohl vor allem dem Print-on-Demand-Verfahren geschuldet ist, in dem das Buch produziert wurde. Zum üppigen Preis eines opulenten Bildbandes erhält man so leider nur ein billig gemachtes Taschenbuch.

Dieter Pesch / Martin Pesch: Kunst im Dritten Reich: Werner Peiner - Verführter oder Verführer. GRIN-Verlag, € 49.

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Ezra Pounds "Cantos" in deutscher Sprache

Mit seiner 1967 entstandenen Büste von Ezra Pound gelang Arno Breker eine seiner wohl beeindruckendsten Porträts. Über die Begegnung mit dem greisen, durch den dreizehnjährigen Zwangsaufenthalt in einer amerikanischen Nervenklinik psychisch gebrochen Dichter schreibt Breker in seinen Memoiren u.a.:

"Was sein Inneres bewegt, ist kaum zu erahnen, fast scheint es, als solle das Schweigen die Mit- und Umwelt schonen. Der ständig wechselnde Ausdruck seiner Physiognomie, deren Zusammenballung eine ungeheure Sprengkraft ahnen lässt, führt in das Labyrinth eines tumultarischen Innenlebens, dann, blitzartig, drängt sich die Vorstellung auf, man stünde vor einem erloschenen Krater. [...] Auch die Gegner wissen, dass Ezra Pound als strahlender Sieger das Schlachtfeld geistiger Verwirrungen politischer Observanz verlässt. Wann, ist nur eine Frage der Zeit, denn nicht der Hauch eines Zweifels rührt an der Gewissheit, dass man hier im Falle Ezra Pound einem Naturphänomen gegenüberstand, einer Urkraft schöpferischen Geistes".

Von der noch immer virulenten Wirkungsmacht dieser schöpferischen Urkraft kann man sich anhand des nun erstmals vollständig in deutscher Sprache vorliegenden Gedichtzyklus Cantos selbst ein Bild machen. Die kongeniale Übertragung eines der bedeutendsten Werke der Dichtung des 20. Jahrhunderts, das nahezu alle gültigen Formen des Lyrischen sprengte, stammt von Eva Hesse. Die mittlerweile 87-jährige, nahezu erblindete Literaturwissenschaftlerin hat Pound mehr als fünf Jahrzehnte ihres Forscherinnenlebens gewidmet, als Übersetzerin ebenso wie als Exegetin seiner Werke, und setzt mit diesem in bibliophiler Aufmachung erschienenen Band den Schlusspunkt unter ihr Lebenswerk.

Ezra Pound: Die Cantos. Zweisprachig. Übers. von Eva Hesse. Arche Verlag. € 98.

 

Buchbesprechung

 

Medienkünstler Lutz Dammbeck schreibt Autobiographie

Seit den frühen 1980er Jahren arbeitet der Medienkünstler Lutz Dammbeck an seinem HERAKLES KONZEPT, einem multimedialen Forschungsprojekt aus Experimental- und Dokumentarfilmen, Perfomances, Rauminstallationen und Collagen, in dem er Versuchsanordnungen schafft, um dem vielschichtigen Verhältnis von Kunst und Macht in den gesellschaftlichen Systemen des 20. Jahrhunderts nachzuspüren. Mit Besessen von Pop legt Dammbeck nun seine Autobiographie vor, die nicht nur Lebensbeschreibung und Werkgeschichte ist, sondern auch eine Zäsur in seinem bisherigen Schaffen markiert.

Zunächst zeichnet Dammbeck seine Kindheit im Leipzig der 1950er Jahre nach. Er schildert den Alltag in der sich langsam etablierenden SED-Diktatur, die Kontakte zu Westdeutschen, die während der Leipziger Messe alljährlich samt Fresspaketen als Untermieter in die Wohnung der Familie ziehen, seine Schulzeit sowie die Ausbildung zum Schriftsetzer und dem sich ab 1967 anschließenden Studium an der Leipziger Kunstakademie. Wesentlich prägender als die Lehrinhalte wird für Dammbeck und seine Kommilitonen die oft heimlich konsumierte westliche Popkultur: Rockmusik, Cartoons oder die Undergroundcomics von Robert Crumb öffnen Fenster in gänzlich andere Welten jenseits der DDR-Tristesse jener Jahre. Im August 1968 muss Dammbeck am eigenen Leib die blutige Niederschlagung des Prager Frühlings miterleben, was eine erste Entfremdung vom SED-Staat bewirkt.

Er beginnt mit der Produktion kurzer Animationsfilme, aber da er ganz eigene ästhetische und dramaturgische Ansätze verfolgt, stößt er rasch an die Grenzen dessen, was die Kulturbürokratie erlaubt und vor allem nicht erlaubt. In den folgendem Jahren geht es für Dammbeck und seine Kollegen in erster Linie darum, sich innerhalb des Systems Freiräume zu erkämpfen, in denen sie ihre eigenen künstlerischen Visionen fernab des Sozialistischen Realismus realisieren können. Zu einem Fanal wird die Ausstellung "Leipziger Herbstalon", die Dammbeck mit anderen Künstlern 1984 hinter dem Rücken der Kulturbürokratie organisiert und diese damit sowohl brüskiert als auch blamiert. In diesen Passagen wird Dammbecks Lebensgeschichte auch zu einer aus einer subjektiven Perspektive erzählten Kunstgeschichte der DDR der 1980er-Jahre. In der Folge werden die Lebens- und Arbeitsbedingungen für Dammbeck immer problematischer, bis ihm 1986 die Behörden erlauben, mit seiner Lebensgefährtin und der gemeinsamen Tochter in die Bundesrepublik auszureisen.

Im Westen angekommen muss Dammbeck rasch erkennen, dass seine Arbeit als Künstler auch hier von äußeren Zwängen eingeschränkt wird: statt der Vorgaben einer staatlichen Kulturbürokratie ist es nun die Macht des Marktes und die ihn bestimmenden Moden, die die Marschrichtung vorgeben. Eindringlich schildert Dammbeck seine vergeblichen Versuche, seine Arbeiten bei Galerien oder Kunstvereinen unterzubringen, die jene wegen ihrer vermeintlichen Sperrigkeit und ihres unzeitgemäßen Charakters jedoch rundweg ablehnen. So ist der Neuankömmling zeitweilig sogar gezwungen, Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen, um seine Familie ernähren zu können. Auch bei der Finanzierung seiner Dokumentarfilme stößt Dammbeck immer wieder auf Widerstände. So lehnen mehrere Filmförderungsanstalten und Fernsehsender es ab, den Breker-Film Zeit der Götter zu unterstützen, ohne konkrete Begründungen für ihre Entscheidungen zu liefern. Allerdings stößt Dammbeck auf ein diffuses Unbehagen am Thema Breker, und eine Redakteurin des WDR sagt ihm offen ins Gesicht, dass man keinen Film über Arno Breker machen wolle, da man fürchte, dass dessen Skulpturen bei vielen Zuschauern auf ein positives Echo stoßen könnten. Ironischerweise ist es dann die in den letzten Zügen liegende Filmförderung der DDR, die Dammbeck Anfang 1990 die nötigen Gelder zukommen lässt.

Im Rahmen seiner Recherchen zu Das Netz begibt Dammbeck sich auf die Spuren der sogenannten Macy-Konferenzen, in deren Rahmen Wissenschaftler verschiedener Disziplinen sowie Angehörige von US-Behörden zwischen 1947 und 1953 versuchten, Konzepte zur Kontrolle und Regulation von Gesellschaften zu entwickeln. Ziel war es, nach den Erfahrungen mit Nationalsozialismus und Faschismus die vermeintlichen Quellen totalitärer Herrschaftsformen für immer auszutrocknen. Hierzu schreibt Dammbeck:

"Die Ursachen suchten die Sozialwissenschaftler, Psychiater und Psychologen in autoritären und rassistischen Strukturen, die durch Erziehung und Tradition verursacht und begünstigt wurden. Erscheinungen und Begriffe wie Familie, Nationalismus, Religion und Mythos schienen unauflöslich verbunden mit Faschismus, Rassismus und Totalitarismus und fest verknüpft mit der metaphysischen Vorstellung von einer übernatürlich geschaffenen Natur. Diese Natur war so betrachtet gefährlich und verdächtig, ebenso wie Schönheit und Harmonie, Träger dunkler und irrationaler Mächte zu sein. Stattdessen solle es nun eine neue Natur geben: von Menschen gemacht, programmiert und kontrolliert, eine neue Evolution.

Dafür schien es notwendig, auch die Natur des Menschen und seine kulturellen Muster so zu verändern, das die Welt in eine postnationale und multi-ethnische Weltgesellschaft ohne festgeschriebene Grenzen verwandelt werden konnte. Das hieß das Aufbrechen alles Homogenen, das Verflüssigen aller festen Werte und Konsistenzen und die Auflösung nur einer Perspektive auf die Wirklichkeit in eine Vielzahl unterschiedlicher Perspektiven." (S.236-237)

Unbeabsichtigt liefert Dammbeck an dieser Stelle eine Erklärung dafür, warum Arno Breker und seine Kunst nach 1945 so massiv bekämpft wurden: Breker hielt unbeirrt fest an der klassischen Form sowie der Darstellung des schönen und gesunden menschlichen Körpers und widersetzte sich konsequent allen modernistischen Strömungen, die nach 1945 den deutschen Kunstbetrieb dominierten. Er galt so als Apologet einer überkommenen Geisteshaltung, die den neuen Idealen entgegenstand und daher unbedingt ausgemerzt werden musste.

Vieles von dem, was Dammbeck berichtet, findet sich auch schon in seinen zu verschiedenen Gelegenheiten veröffentlichen Filmtagebüchern. Dennoch ist Besessen von Pop nicht bloß die Wiederholung von bereits Bekanntem, sondern macht in seiner Gesamtschau die feinen Verbindungslinien sichtbar, die zwischen Dammbecks verschiedenen Projekten bestehen und lässt die oft langwierigen Entstehungsprozesse einzelner Arbeiten transparent werden. So tritt die tiefe innere Kohärenz, die das Dammbecksche Oeuvre auszeichnet, deutlich hervor. Darüber hinaus ist das Buch aber nicht nur Lebensbeschreibung, sondern auch theoretische Reflexion der eigenen Arbeit: Dammbeck durchleuchtet die Möglichkeiten des Dokumentarfilms als einem kritischen Medium im Zeitalter der Digitalisierung aller Lebensbereiche und muss deren immer enger werdenden Grenzen erkennen. Gerade vor dem Hintergrund einer Gesellschaft, in der alles zur Ware wird, läuft auch das subversive Potential der Kunst Gefahr, von den Marktmechanismen neutralisiert zu werden. Dammbeck reagiert darauf mit einer Veränderung seiner ästhetischen Strategien und präsentiert fortan nur noch zeitlich begrenzte, auf einen Ort bezogene Rauminstallationen, die nach der Ausstellung entsorgt und so dem Kunstmarkt entzogen werden. Seine Tätigkeit als Filmemacher ruht seit der Fertigstellung von Das Netz im Jahr 2003. So markiert Dammbecks mehr als lesenwertes Buch auch eine Zäsur in seinem bisherigen Schaffen und man darf gespannt darauf sein, welche Richtung sich sein Werk in den kommenden Jahren einschlägt.

Lutz Dammbeck: Besessen von Pop. Edition Nautilus. € 18.


Das letzte Wort

Im wesentlichen ist das Kunstwerk ein dem Geist und den Sinnen des Menschen vernehmbarer Ausdruck von Begeisterung. Der antike Mensch hat es als Produkt des menschlichen Kontaktes mit den Göttern, Genien und Dämonen verstanden und verehrt. In diesem vornehmen Sinn ist der geheiligte Mensch selbst ein Kunstwerk: als Geschöpf Gottes und das Kunstwerk als Geschöpf dieses Menschen. Und er ist ein Tempel Gottes in seiner bestmöglichen Verwirklichung und Vollendung. [...] Allein das Kunstwerk kann der Tempel Gottes sein als Produkt des dem Geiste Gottes unterworfenen Menschengeistes, wie der Leib des Menschen Tempel des heiligen Geistes wird durch seinen Gehorsam.

- Ernst Fuchs (1969) -

 

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Werner-Peiner-Ausstellung in Gemünd

Noch bis zum 26. August 2012 zeigt das Kunstforum Eifel in Gemünd Werke des Malers Werner Peiner (1897-1984). Unter dem Titel Kunst im Nationalsozialismus. Werner Peiner - Verführer oder Verführter werden 80 Radierungen, Aquarelle und Gemälde aus allen Schaffensperioden des Künstlers gezeigt. Ergänzt wird die Schau mit Dokumenten, die Peiners Rolle während des Dritten Reichs kritisch reflektieren. Alle Werke stammen aus dem Besitz der Nachkommen Peiners.
So wie Arno Breker stand auch Peiner auf Adolf Hitlers Liste der gottbegnadeten Künstler, die als unverzichtbares nationales Kapital galten und somit vom Kriegsdienst freigestellt waren. Im Jahr 1937 übernahm Peiner die Leitung der Hermann-Göring-Meisterschule für Malerei in Kronenburg, die am Konzept mittelalterlicher Werkstätten angelehnt war, in denen Schüler und Meister in einem engen Verhältnis zusammenarbeiteten. Bekanntester Schüler Peiners war Willi Sitte, der später zu einem der wichtigsten Maler und Kulturfunktionäre der DDR werden sollte. Anfang der 1950er Jahre konnte Arno Breker Peiner, der auch ein Meister des Gobelinentwurfs war, für die Ausgestaltung der Zentrale des Gerling-Konzerns in Köln gewinnen.
Gegen das Ausstellungsprojekt regte sich von Beginn an Widerstand, und so wurde auch die Eröffnung am 19. Mai von Protesten durch örtliche "Initiativen gegen Rechts" begleitet. Vor dem Museum fand eine Kundgebung statt, auf der die sofortige Schließung der Schau gefordert und szenetypische Kleinkunstalbernheiten dargeboten wurden.
Zur Ausstellung ist ein vom Kurator Dieter Pesch verfasstes Begleitbuch erschienen. Öffnungszeiten: freitags bis sonntags sowie feiertags von 13 bis 18 Uhr im Kunstform Eifel, Dreiborner Str. 22, Schleiden-Gemünd.

 

Jubiläumsausstellung im Münchener Haus der Kunst

In diesem Jahr wird das Haus der Kunst in München 75 Jahre alt. Aus diesem Grund veranstaltet das Museum vom 10. Juni 2012 bis zum 13. Januar 2013 die Sonderausstellung Geschichten im Konflikt und präsentiert Exponate, die bereits zwischen 1937 und 1955 gezeigt worden waren. Die Macher möchten auf diese Weise die unterschiedlichen Kunstauffassungen jener Zeit zu dokumentieren. Das 1937 mit der ersten Großen Deutschen Kunstausstellung eröffnete Haus war bis 1945 der Tempel, in dem die Staatskunst des Dritten Reichs zelebriert wurde. Nach dem Krieg öffnete das Museum seine Räume für die Moderne und zeigte besonders diejenigen Künstler, die unter den Nationalsozialisten als "entartet" galten. So wurden z.B. Max Beckmann, Wassily Kandinsky und Paul Klee mit großen Werkschauen geehrt. Seit dem Jahr 1995 arbeitet das Haus der Kunst systematisch seine Geschichte auf und präsentiert die Forschungsergebnisse der Öffentlichkeit. Höhepunkt dieses Prozesses ist die seit 2011 zugängliche Datenbank www.gdk-research.de, das wohl ausführlichste Archiv zur Kunst des Dritten Reichs im Internet. Weitere Informationen unter www.hausderkunst.de.


Breker-Reliefs eingemottet

Nachdem der Versicherungskonzern Gerling seine neue Zentrale in Köln bezogen hat, wird nun der alte Firmensitz in der Innenstadt, an dessen Errichtung Arno Breker in den 1950er Jahren maßgeblich als Architekt und künstlerischer Berater mitgewirkt hat, aufwendig umgestaltet. Neben neuen Büroflächen sollen auch exklusive Wohneinheiten entstehen. Im Zuge der Umbauarbeiten wurden im Herbst 2011 die von Breker geschaffenen Reliefs Die Heiligen drei Könige, St. Georg und St. Martin von den Fassaden der Gebäude genommen und sollen nun restauriert werden. Auch die Brunnenfiguren, auf Delphinen reitende Putten sowie die Löwenköpfe der Fahnenmaste sind eingelagert worden. Mit der Fertigstellung des neuen Gerling-Quartiers sollen alle plastischen Arbeiten an ihre angestammten Plätze zurückkehren.



Neuer Gedichtband von Rolf Schilling

Im Herbst 1990 besuchte der Dichter Rolf Schilling Arno Breker in dessen Düsseldorfer Atelier. Ergebnis dieser Begegnung zweier Unzeitgemäßer war der Gedichtband Tage der Götter, in dem Schillings Verse und Brekers Zeichnungen eine poetische Symbiose eingehen. Tragischerweise konnte Breker das Erscheinen des kleinen bibliophilen Bandes nicht mehr miterleben. Nach fünfzehnjährigem öffentlichen Schweigen ist mit Lingaraja nun ein neues Buch von Rolf Schilling erschienen. Auf über 320 Seiten zeigt Schilling, dass er in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten keineswegs untätig war. Mit der ihm eigenen Sprachgewalt umschreitet Schilling seine altvertrauten Themen: die Mythen und Traditionen des Abendlandes, archaische Rituale, magische Orte, aber auch die Landschaft seiner Heimat und die Natur. Darüber hinaus richtet er seinen Blick auf das Schamanentum des alten Indiens und die traditionellen Götter des Subkontinents. Bezugsquelle: Telesma Verlag, Dr. Baal Müller, Vogelgesangstr. 91, 14929 Treuenbrietzen oder www.telsema-verlag.de.


Breker-Werke kaufen?

Große Skulpturen von Arno Breker finden sich im Kunsthandel eher selten, und gelangen sie tatsächlich mal in eine Auktion, erzielen sie Preise, die zumeist jenseits der finanziellen Möglichkeiten von Normalsterblichen liegen. Dennoch ist es nicht unmöglich, Breker-Originale zu erschwinglichen Preisen zu erwerben. So haben Internet-Kunsthändler wie kunsthaus-artes.de Lithographien und Kleinplastiken in ihrem Sortiment. Auch beim Online-Auktionshaus ebay werden Arbeiten Brekers angeboten. Eine weitere gute Quelle jenseits des herkömmlichen Kunsthandels stellt das Zentralverzeichnis antiquarischer Bücher (www.zvab.com) dar. Dort finden sich regelmäßig signierte Bücher und Kataloge, graphische Arbeiten, Postkarten, Mappenwerke und gelegentlich auch Kleinplastiken.

 

Essay

Gottfried Helnwein fotografiert Arno Breker: eine Bildbetrachtung

Im Jahr 1988 besuchte der österreichische Maler und Fotograf Gottfried Helnwein Arno Breker in dessen Atelier. Bei dieser Gelegenheit entstand die Fotografie Arno Breker Holding a Picture of Joseph Beuys. Das Bild zeigt Breker sitzend in seinem Atelier, gekleidet in seinen Arbeitskittel, mit einer Reproduktion des Gemäldes in den Händen, das Helnwein 1982 von Joseph Beuys gemalt hatte. Dieses Porträt wurde vom Kunstmagazin art (s. Heft 2/1983) unter der Überschrift "Irrweg ins Grüne?" als Titelbild für eine Reportage über den Reform-Politiker und Ökoaktivisten Beuys benutzt.
In einem Gespräch mit Andreas Maeckler beschreibt Helnwein rückblickend, wie das kuriose Bild entstanden ist:

"Ich wollte ein Foto von Breker machen, wie er mein Porträt von Joseph Beuys hochhält: Breker und Beuys auf einem Bild - ich dachte, das macht der nie, aber er tat es doch: er hielt das Bild hoch, und dann murmelte er: 'Das hätte der Beuys sich aber nicht träumen lassen.'" (Gottfried Helnwein im Gespräch mit Andreas Maeckler, Verlag C. H. Beck, S. 129).

Und in einem Interview mit der Wiener Zeitung berichtete Helnwein von seinem Besuch im Atelier Brekers:

"Im Falle Breker war ich sehr überrascht, als ich vor einigen Jahren zufällig erfuhr, daß er zu dem Zeitpunkt überhaupt noch lebte. Ich habe mich mit jener Zeit sehr beschäftigt, Geschichte ist eine Leidenschaft von mir. Ich bin interessiert daran, an authentische Quellen heranzukommen. [...] Was die Nazizeit angeht, gibt es noch die täglich schwindende Möglichkeit, mit Zeitzeugen in Kontakt zu treten. Die Vorstellung, mit jemandem wie Breker zu sprechen, mit jemandem also, der im Zentrum der Macht stand, fand ich faszinierend. Dann hat Breker ein Bild von mir gesehen, eben jenes Beuys-Bild, und er sagte in einer für mich vielleicht peinlichen Bewertung, die Technik des Bildes sei unglaublich gut. Daraufhin war ich einen ganzen Tag bei ihm. Es war faszinierend, mit ihm, diesem Feindbild der Kunstwelt, zu reden. Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches war dieser einst gefeierte Mann von einem Tag auf den anderen für den Rest seines Lebens Abschaum, was sicher auch mit dem Bedürfnis der Menschen zusammenhängt, für das Gute wie das Böse holzschnittartig Identifikationsfiguren zu haben. Man hat nach 1945 alles Schlechte auf ihn projiziert. Er ist dann nie damit fertig geworden, daß sich die Welt, in der seine Ästhetik triumphiert hat, über Nacht gewandelt hat in eine Welt, in der er nur noch ein Monstrum war. Ich glaube, er ist ein völlig unpolitischer Mensch. Er war nie ein fanatischer Nazi, aber er war naiv. Naiv in einer Weise, wie man es nicht sein sollte. Er sah sich als einen Renaissancekünstler, der die klassische Tradition weiterführt. Ein Erbe und ein Bewahrer der abendländischen Kunst. Diese Art von Künstler braucht immer die Medici, einen Herrscher als Auftraggeber. Nur hatte er das Pech, nicht Michelangelo zu sein. Sein Auftraggeber war nicht Papst Julius, sondern Adolf Hitler." (Wiener Zeitung, 05.09.1997)

Mit seiner Fotografie gelingt es Gottfried Helnwein auf virtuose Weise, die beiden Antipoden der Düsseldorfer Kunstwelt zu vereinen: auf der einen Seite Beuys, der charismatische Kunstprofessor mit Wohnsitz im exklusiven Düsseldorfer Stadtteil Oberkassel, der nach seinem Rauswurf aus der Akademie die ganze Welt zu seinem Lehrsaal machte und zu einem gefeierten Star der internationalen Kunstszene avancierte; auf der anderen Seite Breker, die absolute persona non grata, der Unkünstler, dessen Haus am äußersten Rand von Düsseldorf, in direkter Nachbarschaft zum Flughafen gelegen, vollkommen mit seiner Außenseiterstellung in der deutschen und europäischen Kunstlandschaft korrespondiert.
Obwohl diese beiden Männer unterschiedlicher nicht sein konnten, lassen sind doch gewisse Parallelen zwischen ihnen feststellen. So machte man ihnen etwa ihr Verhalten während des Dritten Reichs zum Vorwurf: Breker wurde die Rolle als "Lieblingsbildhauer Adolf Hitlers" für den Rest seines Lebens zum Verhängnis, während Beuys unterstellt wurde, er verkläre seine Zeit als Soldat zu 'Bildungsjahren', in denen er naturwissenschaftliche Studien betrieb und zeitweilig mit seinem Ausbilder, dem späteren Tierfilmer Heinz Sielmann, Exkursionen unternahm. Zuletzt wurde er gar vom Schweizer Kunsthistoriker Beat Wyss als der "ewige Hitlerjunge" diffamiert, der seine kryptofaschistische Weltsicht als neue Heilslehre propagierte. Ferner war beiden ein Hang zum Monumentalen eigen: Breker konnte diesen vor allem mit seinen gigantischen Entwürfen für die Welthauptstadt Germania umsetzen, während Beuys, der seit 1961 den Lehrstuhl für monumentale Bildhauerei an der Düsseldorfer Kunstakademie innehatte, mit seiner Sozialen Skulptur eine Plastik von globalen Ausmaßen konzipierte. Ironischerweise wurden beide Künstler auch wegen ihrer Arbeit massiv angefeindet und verspottet: so empfanden die einen Beuys' Werke vor allen aufgrund der von ihm benutzten Materialien als eine Zumutung, während die anderen in Breker einen antimodernistischen Reaktionär sahen, dessen Werke vollkommen indiskutabel seien. Da Breker und Beuys jedoch in entgegensetzten Lagern standen und sich zweier vollkommen unterschiedlicher Bildhauersprachen bedienten, war eine Annäherung trotz der genannten Parallelen letztlich unmöglich. Eine Äußerung von Joseph Beuys über Breker ist da dennoch überraschend: "Ich wäre töricht, etwas gegen Arno Breker zu haben. Seine gigantische Schaffenskraft und sein Werk kann man nur bewundern, auch wenn man einzelne Dinge nicht mögen mag." Diese Einschätzung lässt sich ohne Abstriche auch auf das Werk und die Arbeitsauffassung von Beuys übertragen, der einmal von sich behauptete: "Ich ernähre mich von Kraftvergeudung."
Die Stadt Düsseldorf hat mit Joseph Beuys mittlerweile ihren Frieden geschlossen: eine Straße wurde nach ihm benannt, und in den Jahren 1992 sowie 2010 fanden große Retrospektiven des Schamanen vom Niederrhein statt. Ob Arno Breker vergleichbare Ehren wiederfahren werden, ist mehr als ungewiss, sein unter Bann stehendes Werk kann bisher nur im Verborgenen wirken. Die Existenz an der Peripherie, ausgeschlossen und gemieden vom offiziellen Kunstbetrieb, war für den einstigen Starbildhauer des Hitlerreichs mehr als schmerzhaft - Brekers von Gottfried Helnwein mit der Kamera eingefangenes Gesicht, in dem Gram und Verbitterung über die fehlende Anerkennung seines Schaffens tiefe Spuren hinterlassen haben, spricht hier eine deutliche Sprache. Aber vielleicht ist gerade die Peripherie der Ort, von dem die notwendige Erneuerung der Kunst ausgehen muss: nur hier, unberührt von den Einflüssen des Zeitgeistes, kann der Geist der Tradition neue Kräfte sammeln, um sich dann im Zentrum neben der in Einzelpositionen aufgesplitterten Gegenwartskunst den ihm gebührenden Platz zu erobern.
So erweist sich Helnweins Fotografie als durchaus hellsichtig: Breker und Beuys vereint auf einem Bild, als gleichrangige Meister in ihren ästhetischen Welten, verbunden durch die tiefe Verwurzelung in der abendländischen Kultur, nur getrennt durch die unterschiedlichen Wege des künstlerischen Ausdrucks: hier Bronze und Marmor, dort Fett und Filz.

- Michael Boss -

 

Das letzte Wort

A painting by Titian is like a Leningrad, holding out against the forces of the world. Even if they're having to eat rats in there, they still never surrender to it. Wheras the art of Tracey Emin is a complete capitulation to the world. Cutting a shark in half and putting it in a tank of piss is just art giving up. I find it very odd when they describe art as challenging, because I always thought art was meant to calm you like a lullaby, not challenge you like some skinhead in an underpass.

- Alexander Stoddart, schottischer Bildhauer, geb. 1959 -

 

Impresssum:

Herausgeber: Arno-Breker-Gesellschaft Düsseldorf e.V., Hinterfeld 42c, 45564 Kaarst.
Verantwortlicher Redakteur: Michael Boss
Internet: www.arno-breker.info E-mail: arno-breker-ges@gmx.de

 

SOLL & HABEN

Eine der beiden Figuren SOLL und HABEN

Das Figurenpaar schmückte die Fassade des Bankhauses Merck Finck und & Co
in der Düsseldorfer Steinstrasse, zeitweilig die Fassade der Kölnischen Rück-Versicherung auf dem Theodor-Heuss-Ring in Köln. (siehe Foto).

Beide Skulpturen kamen in Privatbesitz und stehen nun zum Verkauf.

Die ARNO-BREKER-Gesellschaft Düsseldorf kann Interessenten Kontakt zum Verkäufer herstellen:

arno-breker-ges@gmx.de

Düsseldorf, den 2. August 2012

 

Am 13. Februar 2011 jährte sich zum zwanzigsten Mal Arno Brekers Todestag. Dies nahm die Arno-Breker-Gesellschaft Düsseldorf e.V. zum Anlass, des Künstlers in einer Zeitungsanzeige öffentlich zu gedenken (s. oben). Die Anzeige erschien am Samstag, dem 12. Februar 2011 im Gesamtverbreitungsbereich der Rheinischen Post, der Neuss- Grevenbroicher Zeitung und der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung.

Auch in der Vereinszeitschrift der Düsseldorfer Jonges „Das TOR“ sollte die Annonce platziert werden. Einen entsprechenden Auftrag durch den Vorsitzenden der Düsseldorfer Arno-Breker-Gesellschaft Heiner Frisch, der auch Mitglied der Jonges ist, lehnte der Jonges- Vorstand strikt ab.

Bemerkenswert: Der Düsseldorfer Bürger und Bildhauer Arno Breker war bis zu seinem Tod über viele Jahre hin geachtetes Mitglied der Düsseldorfer Jonges. Der damalige Baas (das ist der Vorsitzende des Vereinsvorstandes) der Jonges, Landgerichtsdirektor Kurt Monschau, hat Arno Breker nach dessen Heimgang auf einem Jonges-Abend noch eine eindrucksvolle Laudatio gehalten.

Bemerkenswert auch: dass der Jonges-Baas Detlef Parr seine ablehnende Haltung gegenüber einem Breker-Gedenken mit dem Düsseldorfer Kulturdezernenten Hans Georg Lohe abgesprochen hat (s. RP).

Dr. Herman Lohausen, Mitglied der Jonges wie auch der Düsseldorfer Arno-Breker-Gesellschaft e,V. ist der Auffassung, der Jonges- Vorstand handle in dieser Angelegenheit nicht im Sinne der Mehrheit im Verein. Er hat sich in einem offenen Brief an den Jonges- Vorstand gewendet. Er lautet wie folgt:

Fehler: "mit demokratische", richtig: mit demokratischen.
Fehler: "verantwortlich", richtig: wortwörtlich.
Fehler: "Hermann", richtig: Herman

Der Vorstand der Düsseldorfer Jonges hat den offenen Brief von Dr. Lohausen unbeantwortet gelassen.

Die Jonges-Mitglieder Dr. Lohausen und Heiner Frisch haben deshalb versucht, das Thema „Arno Breker“ auf der Jahreshauptversammlung der Jonges zur Sprache zu bringen. Der Jonges-Baas brach jedoch die Mitgliederversammlung vor dem in der Tagesordnung vorgesehenen Punkt „Verschiedenes“ abrupt ab und beendete sie, obwohl sich die beiden Mitglieder deutlich zu Wort gemeldet hatten.

 

  

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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